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PF5229
K6
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STANFORC
LIBRARIES
Die
Deutschen am Monte - Rosa
SlanungenosKvu iiii WaUis uuil Üeclitlaiid.
Hbcrltiirtr Her JluIscIicd
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CSinleltuiis«
TPie folgenden Blätter bringen Einiges von den Ergebnissen einer Reise, die der
Verfasser im Sommer 1839 gemacht hat^ mit der Absieht Erkundigung über die
Sprache und vielleicht über die Herkunft jener Thalbewohner einzuziehen. Noch
hatte Memand jene Mundarten , die mit dem Cimbriscben der VII und XIII Com-
munen*) den südlichsten Zweig der germanischen Zunge bilden, einer umfassendem
Schilderung gewürdigt, obwol die Thatsache seit mehr denn 40 Jahren der gelehrten
Welt bekannt und kräftig empfohlen war. In 23 Tagen wurde der Weg von Zürich
über Sitten und Aosta zu den acht Gemejnden, und der Rückweg über Arona und
Chur zurückgelegt; eine Eile, die, durch Amtspflichten geboten, den Verfasser ent-
schuldigen wird, wenn dem sachkundigen Leser manche Lücke auffällt. «
Die Hilfsmittel , die mir zur Vorbereitung offen lagen , gaben zwar mancheii
guten Rath für die Reise, waren aber für meinen eigentlichen Zweck kaum in
Anschlag zu bringen. Es sind folgende :
1. Saussure, gewissermassen der Entdecker des Monte-Rosa, wie manches andern
Theils der wunderbaren Alpenwelt, gibt im achten Band seiner Foyages dans les
Alpes (Neuchatel 1796) Nachrichten über vier jener acht deutschen Gemeinden,
nemlichMacugnaga**), Alagna und die beiden Gressoney***), die er im Sommer 1789
besucht hatte. Die auffallende Erscheinung deutscher Sprache in italienischen
Thälern beschäftigte ihn lebhaft: er zählt sie als die lezte der neun Eigenschaften
auf, deren Vereinigung nach ihm den Monte-Rosa vor allen ihm bekannten Bergen
^} Vgl.: lieber die sogenannteii Cimbern der VII und XIII Communen auf den
venediscben Alpen und ihre Sprache. Von Dr. J. A. Schmeller. (In den Abhandlungen
der I. Cl. der Ak. der Wiss. IL, 3 S. 559 — 708.) Diese Arbeit, die sich auf eine
Reise im Jahr 1833 gründet, wäre für mich als Leitfaden vom grössten Werth ge-
wesen , ist mir aber erst später zu Gesicht gekommen. Mündlicbe Kuode davon hatte
ich schon vorher, und der Gedanke, zu achmellers Arbeit das nothwendige Seitenstück
zu liefern, war mir eine Auftnunterung. '
"*"*) Macugnaga nach der malländischen Aussprache.
♦^Mc) Der Tou Uegt auf ey und der Laut dieses Diphthongen ist ei, nicht ai.
auszeichnet. Der kurzen Schilderung , die er von jenen einfachen , kraftvollen
Menschen entwirft , ist bis jetzt nichts Aehnliches an die Seite getreten. Mit-
Iheilungen iiber die Sprache dürfen wir von dem Genfer Naturforscher natüilich
nicht erwarten.
2. Der Monte-Rosa. Topographische und naturhistorische Skizze von
L. Freiherrn von Weiden. Wien 1824. Weiden ist der erste Deutsche, der über
diese Gegenden aus eigner Anschauung (1822) schrieb. Der Hauptruhm seines
Werks gebührt jedoch den beiden Gressoneyern Johann Nicolaus Vincent und Joseph
Zumstein, die 1819 den Monte-Rosa zuerst bestiegen haben und deren Entdeckungen
Weiden mittheilt. Er hat das Verdienst der Zusammenstellung und genauer An-
gaben über die umgebenden Thäler. Zu den bereits bekannten vier Gemeinden
brachte er Rima, doch nur mit halber Gewisheit. Das Silvische war ihm über-
haupt ein « unverständliches Patois. »
3. Wanderungen in weniger besuchten Alpengegenden der Schweiz von
Hirzel-Escher. Zürich 1829. — Die erste dieser beiden Wanderungen, im
Sommer 1822, beabsichtigte die Umgehung des Monte-Rosa und H. berührte daher
wie Saussure bloss Macugnaga, Alagna und Gressoney. Sein Auge scheint vor-
züglich auf geognostische und bergmännische Verhältnisse gerichtet , der Sprache
wird nur im Allgemeinen gedacht, was bei der sehr eiligen Durchreise fast nicht
anders sein kann. Sie sei, heisst es S. ^6. 36., zwar deutsch, aber höchst ver-
dorben und so sonderbar, dass man sie kaum für deutsch erkennen könne.
4. Das Thal von Rimella und seine deutschen Bewohner. Aufsatz im
Ausland für 1836 Nr. 92 und 93. (Von Max. Schottky.) Eine Schilderung des Thals,
nebst einzelnen Redensarten und Ausdrücken seiner Sprache in bunter Mischung.
Beiläufig wird erwähnt, dass auch Issime deutsch sei ; so hatte sich also die Zahl der
deutschen Gemeinden endlich auf sieben erhöht und nur die achte, Gabi, war mir noch
unbekannt. Schottky ist nach den Aussagen der Einheimischen der erste Deutsche,
der $ich vor mir um ihre Sprache näher bekümmerte und hat (183S) gleich mir
alle acht Gemeinden bereist. Seine Aufzeichnungen sind im Allgemeinen treu, auf
seine Urtheile aber ist nicht zu bauen : so schreibt er z. B. der Mundart von Issime
atigelsächsischen Charakter zu , und sagt von der Rimellamundart , im Vergleich
löit ihr sei das Nibelungendeutsch ein moderner Dialekt, ja, wenn man sie höre,
sei man fast versucht , an das Wiederaufleben der Druiden zu denken. (S. 365.)
Da mir der Raum hier enge gesteckt ist, so gebe ich von Geographischem
nur was nöthig ist, um den Theil des italischen Bodens einzugrenzen, den
"TTT^
der deutsche Baum beschattet ; lasse von Sprachproben so viel folgen , als die
Rechtfertigung des Titels erfordert und widme einen grossen Theil des Raums einer
geschichtlichen Frage , von der ich glaube , dass sie meinen meisten Lesern will-
kommener sein werde , als eine Reihe fremdartiger Mundarten und eine trockne
Auseinandersetzung grammatischer Verhältnisse.
Eine Erklärung ist noch vonnöthen über einige geographische Benennungeir,
die ich mehrfach angewendet habe: Üechtland bezeichnet die deutschen Ge-
genden des Cantons Freiburg und den Westen und Südwesten des Gantons Bern:
alles Land zwischen den Berner Alpen, der Aar, der Sane und den drei Seen am
Jura (Seeland). Die Benennung silvisch ist von dem lateinischen Namen des
Monte-Rosa, Mens Süvius'^), genommen und in Ermanglung eines andern gewählt»
als Gesammtoame für die acht italisch-deutschen Gemeinden am Monte-Rosa. Le-
pontisch gilt für alle die Mundarten, welche die südwestliche deutsche
Schweiz (Üechtland und Wallis), einnehmen und zu deren Familie das Silvische
gehört. Was an der Wahl auszusetzen ist, weiss ich wol; aber eine kurze
Benennung war nöthig und da jede willkürlich geschaffen werden muss, so wird
keine so glücklich sein, ganz tadelfrei auszugehn. Unter dem Namen aleman^
nisch endlich sind die Mundarten der übrigen Schweiz befasst.
Vom südlichen und südöstlichen Fuss des Monte-Rosa laufen fünf Thäler aus,
in deren obersten Theilen deutsch geredet wird : ich bezeichne sie nach ihren
Flüssen, Lys (Lesa), Sesia, Sermenta, Mastalone und Anza (Vischp). Die Lys ent-
springt aus einem von den gewaltigen Gletschern, die den Südfuss des Monte-Rosa
bekleiden und strömt fast in gerader Richtung der Dora baltea zu, mit der sie
sich nach zehnstündigem Laufe bei Pont de S. Martin vereinigt. Im Lysthale
besizt das Deutsche mehr Gebiet als in einem der vier andern , denn es ist die
eigentliche Sprache dreier Kirchspiele, nemlich der beiden Gressoney (Trinit^ und
S. Jean) und Issimes. In einem vierten, Gabi, das mit Issime eine Gemeinde aus-
macht und Issime von S. Jean trennt, hat es seine Herrschaft mit der welschen**)
*) Ich habe diese Angabe aus Weldens Monte-Rosa Ü, 4; eine klassische Beweistelle
dafür ist mir unbekannt; bei Plinius bieten wenigstens die Verzeichnisse keine dar.
**') Ich nenne sie absichtUch nicht italienisch, weil hier die Grenze zwischen der savoyiscben
und piemontesischen Mundart läuft. Jene ist mehr südflranzösisch, diese mehr italienisch ;
wo jene herscht, ist das Französische ; wo diese herscht, das ItaUenische die Sprache
der Schrift und der GebildeteB.
i
Landesmundart theilen müssen , indem nur drei Weiler (Gantone) des Kirchspiels
deutsch reden.
Die Sesia entspringt gleichfalls aus Gletschern des Monte-Rosa, durchströmt in
Windungen zuerst ein Alpenthal gleich dem der Lys; tritt, wo sie sich nordöstlich
wendet, ins milde Land der Reben und Kastanien, begrüsst unterhalb Varallo die
oberitalische Ebene und vereinigt sich unterhalb Vercelli mit dem Po. Nach ihr
heisst die ganze Provinz die Valsesia (provincia di Valsesia) ; das eigentliche Sesia-
thal heisst Val di Sesia, oder Valsesia grande, zum Unterschied von dem Val Sesia
piccolo (Sermentathal). Die Gemeinde, deren Gebiet sie in ihrem Laufe zuerst be-
tritt, Allagna, Alagna oder Lagna, redet deutsch.
Die Sermen ta und derMastalone entspringen nicht unmittelbar am Monte-Rosa,
und nicht aus Gletschern und ewigem Schnee, sondern aus einem schneelosen Ge-
birgsarm, der in östlicher Richtung vom Monte-Rosa ausläuft. Er s(;hickt mehrere
Nebenarme nach Süden, und in den Gabeln, die dadurch entstehen, haben, die ge-
nannten Fliisse ihre Quellen. Die Sermenta, deren Thal auch Kleinsesia (Val Sesia
piccolo ) heisst , entsteht aus zwei kleineren Bächen : der östliche kommt von
CarcofTaro, der westliche von Rima, und sie vereinigen sich bei Rimasco. Rima
ist deutsch. Auch das Thal des -Mastalone spaltet sich zu oberst in ein westliches,
das von Baranca , und ein östliches , das von Rimella ; Baranca ist italienisch,
Rimella deutsch. So gewähren also Sesia , Sermenta und Mastalone zusammen nur
drei deutsche Gemeinden (Alagna, Rima und Rimella), weniger als das einsige Lysthal.
Die A n z a , an ihrer Quelle von den dortigen Deutschen Vischp genannt, quillt,
wie die Lys lind Sesia aus den Monte-Rjc^sa-Gletschern , aber am östlichen Abhang
dieses Riesen, und fliesst fast in gerader Richtung nach Osten dem Langen See*^)
zu , den sie in einer von den schönsten Buchten der Welt , bei den borro-
mäischen Ipseln, erreicht ; obwol nicht unter ihrem eigenen Namen, sondern unter
dem der Tosa, mit der sie sich bei Vogogna vereinigt. Auch im Anzathal ist, wie
in den drei vorhergenannten , nur die oberste Gemeinde , deren Markung an den
Gletscher stösst, deutsch: Macugnaga.
So sehen wir also den Monte-Rosa auf seiner Süd- und Ostseite ebenso wie
auf der Nordseite von deutschem Sprachgebiet umschlossen und nur von Westen
im Val Ghallant reicht eine savoyische (burgundische, provencalische) Mundart
heran. Aber ursprünglich hat es sich auch damit anders verhalten ; auch der
Levinzon, der nächste westliche Nachbar der Lys, hörte früher an seinen Quellen
un^re Sprache; noch sind in der obersten der drei Rectorieen (Kaplaneien),
*) So Iiaben die Schweizer den lago maggiore deutsch getauft.
S. Jaques d'Äyas, viele Gemeindegüter deutsch benannt und der Strich von Ayas
aufwärts gegen die Cime blanche (wißo gredjene) heisst Canton des Allemands, so
dass der deutsche Ursprung auch dieser Bevölkerung ausser Zweifel ist , und der
Monte-Rosa , wenn man sich nicht streng an die unmittelbare Gegenwart hält , als
ein völlig deutscher Berg angesehen werden darf, denn im Westen trennt ihn
vom Matterhorn (Mont-Cervin) eine nie betretene Eiswiiste und gegen Norden
hat er den deutschen Walliser Zehnten Vifp. Mit Recht trüge daher der Berg auch
in unsrer Literatur seinen einheimischen Namen Gornerhorn (Gaernerhorn) *).
Es sind noch einige Punkte der penninisch-lepontischen Alpen zu nennen, wo
das Deutsche gleichfalls über den Kamm des Gebirges greift, die ich aber
wegen Zeitmangels nicht besucht habe : östlich vom Simplonpass liegen zwei Kirch-
spiele, die zum Zehnten Brieg gehören: Simplen und Rüden (it. Gondo). Folgt
man dem Thale in dem sie liegen^ so gelangt man in das der Tosa und findet auf
deren rechtem Ufer , nahe bei der Bucht der borromäischen Inseln , die Gemeinde
Ornavasco, wo einzelne alte Männer noch deutsch reden, während es der Geist-
lichkeit gelungen ist bei dem jungen Geschlechte die Herrschaft des Italienischen
zu begründen. Einst habe diese Gemeinde jeden Todten über den Simplen nach
Glys zu Grabe bringen müssen, ja sie zahle noch Kirchensteuern dahin. Steigt
man von Ornavasco thalaufwärts zu den Quellen der Tosa, so findet man da wieder
die oberste Gemeinde Pommat (Formazza) deutsch, und ebenso die oberste des
Östlichen Nebenthals, Bosco, die mit Pommat durch einen der bequemsten Pässe
verbunden ist. Die Sprache von Pommat , also wol auch die von Bosco , ist nach
dem Urtheil sachkundiger Freunde entschieden wallisisch; von Simplen und Rüden,
die auch politisch zu Wallis gehören, versteht sich das ohnehin.
*) Er wird in Macugnaga gebraucht , um die , ganze Strecke zu bezeichnen , die für den
dortigen Beobachter zwischen der Signalkuppe und dem Fil^rhorn liegt (s. bei Weiden
die erste Kupfertafel, wo zwischen dem weissen Thor und dem Jazhorn, Cima di Jazzi,
die höchste Spitze Fililrhom heissen sollte). Der Name Gornerhorn ist ohne Zweifel
auch im Matterthal gebräuchlich, wenigstens kennt man dort einen Goraersee und
einen Gornergletscher. — Der Name Monterosa ist nicht aus der Aehnlichkeit mit einer
weissen Rose zu erklären — denn wo fiele der gesunde Volkssinn auf solche Phanta-
stereien ? — auch nic^t von seinem Rosenglanz im Morgenroth, — denn von einer solchen
Eigenschaft könnte höchstens der moderne Lustreisende seine Benennungen schöpfen, —
sondern von der gelbrothen Farbe des Gesteins, die an seinen Abhängeii zwischen
den blendendweissei^ Schneefeldern auffallend hervortritt. Der ächte piempntesische
Name ist auch gewiss nicht Monte-Rosa, sondern Montagna-rossa, wie ich in Alagna
ein ungelehrtes Mädchen sagen hörte, oder Monte-rosso (rother Berg).
iSpracli-
Ich habe mir nach Stalders Vorgang die Parabel vom verlornen Sohn (Luc. XV.)
in die Mundart jeder Gemeinde übersetzen lassen und es wären zum Behuf eines
vollständigen Urtheils alle diese Proben hier mitgetheilt, wenn mir nicht der
Raum geboten hätte eine Auswahl zu treffen. Da die Absicht dieser Blätter
vornemlich ist nachzuweisen, dass die silvischen Deutschen mit den lepontischen
nicht bloss in geographischem, sondern auch in geschichtlichem Zusammenhange
stehn, so wähle ich aus den sieben Mundarten die von Gressoney, die
S. Jean de Gressoney,
Cüebersetxung aus dem Frantiösischenf durch
Joseph Anton Zutnstein aus Chressoney^
Ingenieur,)
11. e ma heckhebed*) zwei buebe.
13. dr-jungfto hed dfim-atto gseid : (mtn)
atto gemmer vanouwem^) gued was-
mer kh^rd, un der-atto hemmo
kaed3) was-mo kh^rd.
^^3 hat gehabt. Die Schweizer Mundarten
geben diesem Hilfsverb theils & (ä) theils ei, das
Dach dem Vokalismus der einzelnen Land-
schaften entweder bleibt oder zu e, e, e wird.
S. StalderDial. S. 123. Sind hier die Formen
haben und heigan (elgan) gemischt? — ^) für
onwerem d. i. eurem. Nirgends in diesen
Thalern findet man das Possesiv der Iten und
8ten Person PI. mit er; so dass es aussieht,
als wäre es aus dem Dat. oder Acc. gebildet,
der inf CiO und ou heisst. Doch ist er wol
nur weggefallen, wie man in Zürich hdrt:
fiiBiid für enander. — ^) Gegeben. Das
Silvisehe gibt einer grossen Zahl starker Par-
ticipien die schwache Endung. Ueber k s. S- 70.
Parabel Tom
Macugiiaga.
(Vehers€t%ung nach dem Französischen^ durch
den blinden Caspar Verrat Wirth in
Macugnaga.)
41. e man hed khan zwei chind.
12. ds-jungfta hed gseid fim vatter (atto) :
mi vatter (min atto) gemmer was
mir chund von ewer sach (van ewem
güed) ; d^r vatter d61d-im ßs güed!
proben«
den silvischen Charakter am reinsten bewahrt zn haben scheint; und die von
Macugnaga, welche, geographisch und dem Charakter nach, den Uebergang
von den silvischen zu den wallisischen macht. Um die Vergleichung zu erleichtern,
habe ich sodann eine wallisische Mundart, die von Raron und Leuk, und eine
üechtländische , die von Grindelwald, orthographisch jenen beiden gleich
gemacht und alle vier zusammen gestellt.
irerlorneii Siolin«
Raron im Wallis.
CAus Stalders Dialektologie S, 344.3
41. es-ift emäl e man gsi und der het
zw^ sin khä.
4S. und der jungre van dene het dum
vatter gseid : vatter gimmer van tfum
gCtotji sovil as-as mier arlidui) mag.
Und do het der vafler 's güotji
unner d-sin giteilot.
'^D zukommen. Dafiahd. arlidan Ctrans-
Ire, pati) hat neben der spätem Bedeutung
(pati) noch die frühere (ire) die im Ags.
lidhan und unserm leiten (gehn machen)
erhalten ist.
Grindelwald.
CAus Stalders Dialektologie 8. 283.)
11. es ift en*) man gstn, d8r hM zwen
sin kheben.
12. der-jingft seid zum atten: etti, gim-
mer grad-eis mis bctteli virha2),
wan3) mier kh^rd. ünd-er hed-ne-s
teild.
*) Die Berneroherländer betonen das en
der Endsilben so stark, ^dass in alten und
neuen Schriften enn geschrieben wird. Da
aber schwerlich 2 n zu sprechen sind, habe
ich diese Bezeichnung vorgezogen. — ^ grad-
aufeinmal mein Bisschen heraus.
6 r a d, g a d ohne Umschweife eis CGenitiv) eines,
einmal.' B e 1 1 e 1 i : Bettel, Kleinigkeit ^ y 1 r h a :
herfur, das ahd. furi. Vielleicht vir he zu
schreiben. — ^) wan Druckfehler für was?
CChressonejf.)
15. etlichf tage dernäe dr-junger6 van
dife chinne heck^chtO alls was-er
» » ' j
fcbebe, hed }in if-wit kanged un
er-hed alls üsverlumpöd.
14. wi-ep alls verpuzt hed khebe, due
ift in diz land en-grdßi hungersnöt
khjeme^) du^ IT der ma in d'-enge
khjemed.
15. due if-er zue-n-eme pur kanged u
hed-fi due verdingdd, dßfe pur henne
gshiccht d-fwi biete.
16. aber doe3) waeri der vr6 gs!, wemmo-
mo bette kaed gnueg z^eße van dem
wua-f *) d? fwine gaemS), aber nieme
bemmo fi kae.
17. z'letTt nufdem daß-er Heb bsunne
bed, bed-er dencebt: w^ vil bed
min-atto ebneebt^, di m^ z'eße bein
als-he kh^rd, on-ech moß bie va-
bunger fte^ rbe,
^) hat genommen vgl. 18. — ^ ge-
kommen, vom Inf. khjeme f. eherne. Adj.
queman, chueman. — *3) d o e sonst due; beide,
im Laute fast zusammenfallend, sind Demon-
strativen der Zeit, das des Raumes heisst da,
da. — ^) wua-f: wo sie d. i. was sie. —
geben, gaem f. gcbm, gebn.
CMacugnagaO
15. eis par tage derna der jungfto dere
zweie cbinde hed alls zseme-gmacbt
was-er kba hed, un if- kanged vil
wit, wa-j-er hed vertan fi sach und
verlumpud.
14. derna wi;-er bjed alls verta, dii if
kbuen en-grucße hunger in dem
land; und dii ift-er du kbuen in-en
grueße mangcl
15. un dii if-er du kange un if-chnecht
gsi z'em vo dem land , do bed-cr-ne
g*sbiecbt in sls güed ver z-liite d-fwi.
16. er wier^) dii z-vridu gsi der-biueb
z'vill^ mit dem wua d-fwin hend
keße, man''^) nieme bemmo kie.
17. derna daß-^r hed dem na-gsinnud,
hed-er gseid : wif vil sind bi mim
vatter ebnechte, fi benn mie bruad,
wan fi din^) manglo, und ich bin da
vor z'fteerbe hunger.
^3 wäre. — ^aber, nur. Steht für wan
ahd. wan, wane. M für w hat in diesem Wort
auch das Niederdeutsche. V. 35 lautet es ma.
3) thun. Vgl. V. 31. 83.
ClUiranO
13. na es-par-tagu ift dfr-jungre bodu-
wit^) eweg-gigangu und het fin
ganzi sach mitgnü : da het-^r es-
woUüftigs lebu gvergod2) und alles
verluodrot.
ik. wa-fr duo nimm^ kha hed, ift grad
duo cn-gr6ßi hungerfnöt antltannu
und er-ift falt hungerf drüf-kangu.
15* duo het- s- nun 3) gl^rt, z-enfm bür
gä und Hch-mu an^rbietuund dife
bür het-nun gnü zum fwthirt.
16. da het-s-nu so khungrot, daß-^r geru
hetti dun uberblib vanne fwtnu keßu,
ab^r er het nit emal däschennutuo«
17« duo ift-s-mu z-si cho und er-hed
gseid : o wettige schuppf tagwaner^)
ift in mis yatterf hüs und dt heind
alli z'Sßun gnuog und ich 5) muoß hie
hungerf ft^rbu.
^) boden, als Verstärkung ; wie das ver-
wandte Grund in grundehrlich. — S) vergu,
fuhren; Fafctitiv von f a h r en, das alte varjan,
veijan, vergan. — ^ hats ihn, ahd. hebit ez
Inan. — ^) welchen Haufen Taglöhner:
wettig (in Bunden wietig) was für einer;
schuppe m. Menge (Bünden, Wallis); tag-
wan^r m. Taglöhner, von tagwan, tagwe m.
Tagwerk, (in dar. Kirchgemeinde}. —
Die Dehnung dieses Pronomens, wenn es
den Nachdruck hat, hört man in der Schweiz
sehr h&nilg. Ebenso nid (nihil) gegenüber
von n i d (non) k. B. Gri. 89.
CGrk^dehvaldJ
13. der ^eid i-d-vremdi un h^d-s lle-
dcrli dirhi-büzd ^), mit hiorenZ) und
vreß^n.
14. u-dü chund en-shreccheltehi tirig
über 's-ganz land un-er-hed 6 nis
virigs3) kheb^n z-eß^n und hM-nen
grisseli idiungr^d.
15. un aer ift kang^n un-hed-si an-en
birger von dem land kheicht^) un-
h^d-im d-siw Ithietet.
16. er h^d ö wellen grad -eis trebre
vreßen un h^d-si nid chennen über-
ch6n.
17. u-dü hed-er g'urdoüchet^): min etti
hed esevel6) yü m angftelt, die
gnueg z-^ßen hein un-t han ntd*
^) durchbin, hindurch. Schm. (Bw. 1, 393)
führt durchi tae (durchthun) an , im Sinne von
verthun, verprassen. — ^ io für ü e, und dieses
in unorganischem Umlaut für uo^ ist eine durch-
gehende Eigenheit der Mundart von Rimella
z. B. tioch, chiölffo, briöder, üöcho (Tuch,
kufe, Bruder, suchen). — ^) Auch nichts
übrig. O in abstrakterem Sinne als gewdhn-
lich^Virigs (statt vürigs, fürigs, in Zur. vorigs)
eigentlich zurückgelegtes. Vgl. das ahd. fornic
(alt,früher).— 4) gehenkt.— 5) geurtheilt,
wörtlich ge-urdenket St. (Id. S, 424) fuhrt nur
urdauen, als ein Wort des Berner Oberlandes
an. nch wird zu ch s. $• 47. — ^) Soviel,
vgl. S. 11 A.6. — Der Begriff viel steht doppelt,
also das erstemal überflüssig, vgl. sevlich
lang (Mao. 29.).
2
10
C€fre8SMiejfJ)
iS. e-gein z-mlm atte on-jihe-moi) (min)
atto, e-hen-do verzerned, on-hen
gege got gsennogöd.
19. on e-be nemme wirdig, daß ier mecli
vir ous chinn ang^ched, aber g^ched-
mech vir ouwe chnecht.
20. eer hed-fe perd2) on-if zem-atte
kanged, iin-der-atto henne va-witem
gsehid on-hed ds-hierzwö khebed on
il-mo engege kanged o-bönne um-
aermöd.
24. on dfi-so bemmo gseid: (min) alto,
e-hen-do bileidogöd, e hen ^Qge
got gsennogdd, on-ben nemme wirdig,
daß-er-mer «mis-chenn» sjeged.
22. due hed der -atto dune ebnechte
gseid : bringed vir-fich3) d'shenfto
chleider o-leckemo-fe a*): leckemo
ne-ring a-de-vinger o-gemmo fhue
a-d-vieß.
*3 ahd. jiho-imu, von jehau sagen. —
2} erhoben. Der Inf. heisst bere» das ahd.
per an. — ¥.18 lautet in der Mundart von
Issime: un ich bürre mich un ich go
ulder min atte. Die Tenuis in perd ist
durch die Aphärese des g^ bewirkt vgl. §. 5a
3) vir-fich, für sich, vorwärts, her. -r.
4) für leckefe-mo-fe a, leget ihm sie an.
CMacugnugaO
18. ich müeS tifta und ga-vinde mi vat^
ter und müeß sege: mi vatler, ich
han gsündog6d wider de himil und
wider ew.
19. und ich bin nid wirdig z'eiße *) ewe
sun, di-mich än-sen wi ewro ein
chnecht Z).
20. er-ift üy-gftande und dii ift-er ga-
vinde fin vatter; wi - er ift noch wit
gsi, fi vatter hed-ne 3) gsie und hed-
fich fin erbarmed und ift glöfe wi-
der ine, er hed-fich khid*) en-ltn
hals und hed-ne gebunse^). ^
21. und fin sun hemmu g'seid: mi vat-
ter, ich han g'sündogod wider de
himil und wider ew und ich bin nid
wirdig, daß-mer ir diged sege ewe su.
22. und derna der-vatter jid fine chnechte :
bringed enanderena der-hipft zig und
und did-ne b'chl^de, legged-mo es-
vingerli en-de-vinger und fhüe en-
n-viß.
zu heissen. — ^ thut mich an-
sehen wie euren einen Knechtst. einen
eurer Knechte. — Das r widerspricht der Regel,
die zu Gr. 1» A. »aufgestellt wurde.— ^j^h a t ih n
ahd.habet(hebit)inan.— *)geworfen. Das
schwache Verb h e i e, g h e i f > das im Alem. Bair .
CSta. %j 31, Schm. 8, 192) u. Schwab, vorkommt,
bedeutet werfen, schlagen, quälen. Ahd»
hi^n? heien? Notker 106, 38 hat ferheiet
wären sie Cvexati sunt). — « geküsst.
I. kjüft, AI. khist, Ri. kheft. Der Pfarre
von Rima übersezte gärawallud, welches
der väterliche Kuss sei ; k h e f d gelte » inter
amatores.^' — Die andern lepon tischen Mundarten
n
CRaronJ
18. ich will hinnai) gk und amum zum
vatter zamck und will-mu segu:
vatter: i han gsindigot innu^) himol
und ver dier.
19. i bin nimmn wert, daß d-mich vor
di sü heigift, mach-mi nummu^) wie
einu van dina tagwanerun.
20. und er het-si duo z'weg gmacht gegu
heim, z^lim vatter. Wa-er noch va
witum gsin ift, het-nu fh6n der
vatter gs6 und het mitlidu gfpirt
gegun inu und ift noch n&her^) imu
ang^gunt glaufu und het-nu um-
armot und gmundsinot.
21. der sü het duo imu gseit: vatter, i
han gsindigot innu himol und ver-
dier : i bin nimmu wert di sü z-heißu.
22. abfr der vatt^ het Unu chnechtun
gseid: bringet r^z^) dun beftun
aröcch^) har und bichleidet-nu und
gaet-mu en aring a-Hnu hand und
Ihuo a n vieß.
^) hier, ahd. hin an a. — ^ In den. Das
nu ist mir zu erklären aus einer ahd. Form
dena, denan, die aber nicht vorkommt
Dag^en hat dasGoth. t h a n a, und das verwandte
huer(wer3 hat ahd. huenan, neben huen.
^)nur, ohne Umstände St.Id.d. d45. Yer-
mutUch aus niuwan (aichts als) wie nai-
m^, neum^ aus ne weij w&, neijwä
Grimm Gr. 3, 72. — ^) ^ für oe auch im Cim-
brischen z. B. spete Cspät} Schm. 653. —
rez, rez (in Freiburg und Wallis, sonst
raeß) eiUg, dann scharf im eigentlichen und
bildlichen Sinn.— 6) aröcch CBock). »Der
CGrindelwaldO
18. i wil 6 grad-eis gani) gucken un zum
etti seg^n : 8ttl, i-han gsindig^d im-
hinunel u-vor-dier.
19. i-bi nu-verthin nid wert daß-i din
sun heißi; gimmer o grad-eis ebbes
z-warchen2).
20. er geit u chund zu sim etti u der-
alt hed-nen fhön vo witem b'chend
u-hed-nen st se-türed und het-nen
umhalsöd u-gmuntlenet u-triccht^).
21. der sün seid zum etti: i han gsin-
dig^d im himmel u-vor-dier: i-bi
nu-verthin nid wert, daß-i din sün
heißi.
r
22. aber stnatt seid zun ^) stnen chnech-
ten: bringid ds-virlagchleid u-legid-
mu-s an, un en-vingerring an d-hand
u gaet-im fhue az'lleg^n.
1) s. Anm. zu Rar. Y. 26. — ^ für wer-
chen s, A. zu Gre. 29. Diese Verwand-
lung des e ist auch in AI. u. R. sehr häufig
z. B. aßf9 vald fiir eße, veld. — ^3 g^.
drückt, geherzt. — ^3 zun Druckfehler
für zuo? Oder nach ital. Weise Artikel vor
dem Pronomen.
12
. Tifred hSr ds-vei&t chalb, t^ded-s
un e&en-si) vr^lich zj8mf.
S4. well-i^) mt-so t6d hen gmeind, on-
ieze if-er amum erftann^d, f r-if ver-
lorne 3) gsl, on-if amum gvunne; uf-
däs heo-I keß^d on-tninged.
25. ab^r wie drtn eltft bu^b zun hüs
khjem9d if , so hed-fr kh6rd singen
on-pftfo.
96. due hed-er einem van dftne ehnecht^
gsbrdwed^) o-vrdg-nf , was das s!ge.
9J. deff jiemo^): dtn bru^der iT khjemf
on der-atto hed ds-maf-chalb^ t6d,
well-er gsunne epwunnen^) if.
^} mangeons-le! — ^ well-i: well
leb. — 3) verlornen f. verlorner. Acc.
statt Nonu wie im Alem. — ^3 geschrieen.
Die Verwandlung des t in ti ist durch das
nachfolgende w bewirkt; ü für u ist unor-
ganisch. In Zürich ebenso, nurdiphthongisiert:
gThrouwe, g^rouw^ (gereut). — für
jihed-mo s. V. 18. — 6) maf- für maft-
wie if, hef för ift, heft. — von er-
winne, ahd. arwintan (Graflf 1, 749) zu-
rückkehreoy verwandt unsrem wenden.
CMacugnagaJ
23. und did-ouch bringf 's-veißt chalb
und did-8 tied^,
24. veg9^) mtn su if-gst tuad und tz^
ift-er am üv-erftandei er ift jrst ver-
luaren und tze ift-er widrum grunn^ ;
vege deff hen difi mann^ avang^)
eßf und trinkf .
25. ma der eltfto van denn^ zweif stn^
if gstn in den-aehrf un du wi-^r ift
Jdiu^n z^m-hius, du hed-fr khifrd
d-miusik un tanzo.
26. und dii gfhruw^^) §nfm cbnöcht^
und vragd, was das stg.
27. dör - da jimo : din bru^d^r if-khu^
und din vatter bed getif d das chalb
das wifr hen gmeft, yegf-dafi-^r ift
khuf n recht gsunde.
haben hier gmundfnet (Gombs) gmund-
ff nut CVispach) gmundsinet (Lötschen-
thal) gmundsinot (Raren) gmündfen^t
(SIgriswyl, Habkem, Siebenthal) gmund-
f^net (Grindel wald) gfmuzl^t (Oberhaidi).
^) wegen im Sinlie von weil, dennoch
V nicht wie w zu sprechen. — In AI. heisst
diese Stelle: ve-wegen dif^ min fnn ift
gfi tuüd. Es fehlt nach der Partikel etwa:
dessen dass. Stünde veg^ vielleicht für
v-weg^? — ^ angefangen. Bfittelding
von Partie, u. Adverb. Alem. Schwab, a v a n ge,
avae, ave, avenni, afedig.' (St.Id. 1,90.)
^) ayant appel^.
18
CBaramy
23. und reichft 's gmeftot chalb faar
und mezgfts und lend-if ^) vrd st.
24. denn dife mt sü ift töd gstn und ift
amum zum lebun khö, ift verlorn
gstn und ift gvunnot ivordu. Und
dema sind-f duo yr£li gst.
25. aber der eltrf sü ift uf-m veld gst
und wa-er ava nöh^r zum hüs zuo-
chon ift, het-£r kh6rt fpilun und
tanzu.
26. und duo ift^r gän2) ^n^m ehneeht
ariffu und het-nu gvregt, was das
stgi.
27. diff het-mu gseid: din bruoder ift
erwannu3) und dt vatter het 's-
gmeftot cbalb la mezgu, wfl-er-nu
gsund apium ubf rchö het.
Barer schiebt jedem anlautendea r den ffir die
Aussprache leichtesten Vokal vor: a (besser
e zu schreiben) um hernach das r wie rr in
seiner voUen Rauheit schnurren zu können,
z. B. das ^rripp (die Rippe) u. s. w." (St.
DiaL68.) Ganz fthaUches^Yöl (Ori.l7.) und
das Schwab. es6 für so (s. SohmeUer
Bw. 8, 188.) — *) lasset vns. — ^ Ver-
mutlich Eins mit gang (s. A. zu Mac. SO.)
und schwebend zwischen dem participiaien
und adverbialen Begrili; wie avang (]lfiic.3d).
^) erwannu, wahrscheinUch Druckfehler für
erwunnu. s. A. 7. zu S. 19, a.
23. bringid 's-gmeftet chalb, tifts grad*
eis mezgen u-laet-is e&eni u-trthen
un-is g'vrew^n.
2^. dann dise mtn sun ift yilr-lüerne
gstn un-wider gvund^n, er ift tAd
gstn un^wider löbige w6rdin. Ü-si-
hein ag'vangin im-hein-si zemin
g'vrewd.
25. der elter sun ift 6 hein-chön u-
kh^rd das grag^l u-das baselier^n^)
im hüs und das singen u-houwr^n^)
u-juhei^n.
26. u-riffd enfmem ehneeht u-yregt-
neu, was eiw-s^) kaen heigi.
27« der seid-mu-s : dtn bruoder ift hein-
chdn« ^s-hM-^n&n'es^Tel g'vrewd,
dafi-f r hed 's-vei£ chalb lan mezgen.
^) Das Lermen u. Schwelgen. St. 1,
469. 2y 23. — 2) Vermuthlich ist hoüwren
zu lesen und das Wort ebenso von einer In-
teijection (hoü) abgeleitet wie jubeln, ja-
heie dhd jüz^, ahd. jüwian n. jüwizan
(von jü). Im Berner Oberland heisst die
Naditeule hanri u. hüri (St Id. 2, 27) und
den Namen hoüri tr> ^ort ein G^penst,
das bei einem bevorstehenden Berg- oder
Schneestorz durch schauerliches Rufen warnt. —
^ Ich vermute in em das €k>th. mw ahd. eo,
io (unser je) im Sinne von irgend, denn.
14
C6re$s(mejf.')
5B. ab^r Sfr if-y^rdrißigf khjSmed o-
hgnni^) welli [ingjfr-khjdme^); der-
atto if-fm ab^r f ngegf - kang^ d o
hemmo gseid: nomm^ chim!
S9. fr h§d dum att^ entchjedf d 3) : lu^ g,
^hen sf-vil yir dich gwerchod^) on-
i-hen-di ni vf rzimfd on du-hef-mf r
no kheis gizzi^) kae, memmine kha-
m^adf mech z-vereinigo.
30. abf p wo deff zuf chind , wo-d'p din
sach aUe y^rpuzt hhi, so lufft^) dll-
nedw^f dd-maf-chalb t£df .
51. duf jif mo df r-atto : gang buf b , du
bif ja mimmf r geng wie geng^) ; was
mts ift, ir-dts.
SS. abfr du seltift Tr6 st, o-vreid hae :
din brufder if-gftdrbfd gsid, ifz^
if-^r amum lebenn^ ; eer if-verlorn^
gstd, ifz amum grundn^ .
^) hat Dickt — ^ hineinkommen. —
^y geantwortet Dm ahd. antqnedan,
inchedan, wörtlich: entsprechen. GraiT
4, 644. — ^) alem. gwerchftd.i. gearbeitet
ahd. w e r c h d n, zu unterscheiden v. w i r k j a n,
wirken. — ^} allgemein schweizerisch für Zick-
lein, wol aus gaißji (Geisslein) verknrzt
Anch die Diminution durch l kommt vor : g i z 1 i.
(Stalder Idiot 1, 449).-- «) für lAßift, Uft,
litesest — jS^ng wie geng d. h. immer,
geng oder geng (wörtlich: durchgehends)
und die damit gebildeten Redensarten z. B.
genjg wie geng (wie ehedem) geng in
eim (immerfort) geng an^nander (immer-
Ibrt) sind nach Stalder (Idiot. 1, 488) der Berner
Mundart eigen. SoUten sie aber im Wallis
fehlen, da das Silvische sie hat?
CMacugnagaJ)
38. und dii d^r-ierlt sun ift ^rtoubed^)
und dii hed-er nid welle tchuf und
dii if khuen der-vatter z-em und henne
gebettf und du jtd-r-f m : cbum, ich
düen-di bett^ •
29. und er gid antwird ßm vatter : iz
han-ich sevlichs) langgearwod^) vir
dich ; ich-han nid ewe bevel ub^r-
trett^ und ir hend mir no nid kae
Ss-geissi, daß ich mege mich ^ rvrewf
mit mtn^ glpäne.
30. ma deff sun, der hed alls vertan
ß sach mit fwach^ Itte und ift nmme
khue und dorn std-f r kangf da-veißt
chalb gang 4) tifdf.
31. dfr vattfrji^mu: mts chind, du bift
geng immim hius und alls was ich
hau, ift dts.
SS. ^-ift van-niftfS) z-macho f-vtrtag
und-11 z-fpvrewf, vegf din bm^dfr
ift gsin tuad und ift khufn widrum
z-tf 6) ; fr- ift gstn varluf mf und ift
widrum gvunnf .
^) zornig geworden; von toub,
taub, (zornig, wild, toll, wahnsin-
nig, gewaltthatig). Stid. 1,871. —
^) sevlich, abgeleitet aus soVil, das in
der Bedeutung mit so zosammenf&Ut, wie im
Ostlechischen sov'l, sev'l für so steht
(SchmeUer Bw. 8, 183.)— 3) gearwod, (mich
abgemüht) von arwe, arbf, g'aerbe,
faerbfte (St 1,110.) — *) wörtlich: vous
tes alle aller tuer. gang ist infiniti-
vische Partikel: um zu, das mhd. gdn. —
von Nothen.— ^) ff für inf und dieses
für finf, unf.
n
CRaron.)
S!8. uf das ift-er toub wordü und het nid
wellun ingäi duo ifl d^r-valter üs-
kangu und het-nu gibittot.
99. aber er bet dum vatter gseid: so
mengs j4r han-icb dier gedienot und
ban dtn bivelcb nit es-einzigs mal
ubertrettu und doch heft-mer ni^ en-
boccb kae, daß-i hetti chennu vr^
lieh si ndt minu yrinnon.
50. nadem aber dife sA zaruck khon ift,
der Qs yermegu mit dene buore ganz
y^rfwendot bet, beft-mu lan es-
gmeftots cbalb flachtu«
il. duo seit-mu der vatter: mi sA, du
bilt ja b'f tendig bi-mier und alls was
mis ift, ilt ouch dls.
33. ab^r es-bizji luftig z-st ift nötig gs!,
wü diff din bruoder t6d gsin ift und
iez amum-lebt; verlorn gsin ift und
/ifz amum gvunnot wordun ift
CGrinäelwäldJ)
SB. n-wa-n - er das khörd hÄd, ift- er
grisseli tiiübe w6rd&n un hed ze-^rft
nid em-inhi^) in d-ftube weH^j bis
dafi dr-att A&i kangfn-ift un-n^n
petten-hM, er-sell ^m-inhi.
29. un er-hed zum atten gseid : gnckid,
attu , es6vel mengs jär han-l-n-uch
tiened und geng - 6n 2) braf gvolged
ud-ier heit-mer no-nie nid kaen, nid
es-man3) ön-ltacch^), da£-i mit-
minen vrindto mich het ehennen
g'vrewön.
30. iezän chund ewe andre sun, der
sis virmegem mit hioren dirhi-puzd
hM un-ier heid-im fs-veifits ehalb
g^ezgöd.
31. dA seid dr-att grad-eis zuo-inu: min-
sdn gfhow , du bift geng-dn bi mier
un-alls was mis ift, ift dis 6.
32. du seltifdr-di öbbf g'vrewen un hops-
Af S) sien , dann dise din bruoder ift
grad-eis t6d gsien un-ift wid^r le-
bige w6rd£n , er ift grad - eis vür-
lüerne gsifn und if wider gvundne.
»
^) em-inhi wleder-hineio. Vgl. am-um
wieder-um. — ^ immer anf Eine Weise
vgl. A.7. zu Gr. 81,— 3) auch nur. Man
für mal? oder für wan? 8.Mac 16. A.2. —
^ unfruchtbar, daher als Subst Ziege die
keine Milch gibt, oder HammeL Ohne Zweifel
verwandt mit sticken d.i. gesteckt, versteckt
sein. — sehr vergnügt Adverb, von
hoppe Chüpfen). Auch gebrfinchlich für be-
trunken. (St. Id. 9, 85.)
16
Crrammatischegu
Auch hier habe ich mich auf das
beschränkt, was zum Verständnis der auf-
fallenden Orthographie erforderlich ist.
Die einzelnen Gemeinden sind aufgeführt :
Gr. (Gressoney) I. (Issime) AI. (Alagna)
R. (Rima) Ri. (Rimella) Mac. (Macugnaga).
Rar. (Raron) Gri. (Grindelwald). Zur
Vergleichung ist einigemal das Aleman-
nische (Alem.) und Gimbrische (Ci. s. S. 1.)
genannt.
I* Kurze unil tonnte ITol&ale«
1. Die Länge ist durch das Dächlein
bezeichnet : d, ^ u. s. w. Die Kürze
geht leer aus.
3. Ji (a)» klingt rein z. B. van (von)
atto (Vater). So auch da, wo es
unorganisch lang ist, z. B. tag, ä
(an).
3. JLo (ä), der Mischlaut von a und o,
zeigt sich bei allen ä z. B. fliiff,
in AI. und R. selbst bei a, z. B. tag,
was.
U, A.A. (ä) hat, wie im Alem. und
Schwab., den Laut a, nur neigt es
sich in Mac« und weiter nördlich
manchmal zur Kürze und klingt dann
rein z. B. khan (gehabt) derna
(danach).
5. ES (e), Umlaut von a, z. B. eltfte
(ältester). Ueber e s. A. zu Gri. 11. S. 9.
6. ES (e), Nebenlaut von t, z. B. chenn
(Kind). Dieser Uebergang ist jedoch
sogar beim selben Wort und in der-
selben Mundart nicht durchgreifend,
z. B. v^rzirned, verzerned.
(Gross. 29. 18.) Desgleichen ist der
Unterschied von ä und e.ofi ganx
zerfliessend. Unorganisch steht i für
ei, (ai) z.B. zäm (Mac. 15) ömmer
(Eimer, Ri.)
7. B:S: (^) z.B. gUrd (gelehrt). Un-
organisch für oe: kh^rd (gehört)
oder für ei: b'chl^de (bkleiden).
8. I (i) z.B. in if, ift (ist); wirdig
(würdig). Zuweilen unorganisch für
ü z. B. chind (kommt) U chund,
eh und. Noch auffallender ist das
i für ie in dt (Gr. Rar. 17); für
üf in hitf (Mac. 15.), din d. i.
thun (Mac. 17. 21. S3.).
9. 11 (t) das mhd. t z. B. gsi (ge*
wesen) virtag (Feiertag). In der
Anlehnung öfters unorganisch ver-
kürzt: dfim-atto (seinem Vater)
Gr. 12. Unorganisches i s. .$. 22.
10. O z. B. Gott, antword. Zuwei-
len in ä streifend : märgf (Morgen).
11. OO (6) z. B. groß, n6t (Gr. 14.)
Meist hat es jedoch gelitten: Ri.
gibt den Umlaut: broed, toed.
L Mac. zerlegen in einen Diphthon-
gen: tuod, tuad; daher im Um-
laut üe z.B. tüed^ (I.) oder (nach
§. 17.) tiede (Mac). Eine ähnUche
Zerlegung hat Adelboden im Bemer
Oberland: (broad, t.oad) und das
Ci. (proat, toat).
12. 11 (u) z.B. sunna (Sonne), riußil
(Sclüüssel) Ri.
13. Uli (ü). das mhd. t^, z. B. hüs,
pur (Haus, Bauer). Häufig unor-
ganisch umlautend s. §. 21.
O. IMplfttlioiiseii.
ik. Fast durchweg deutsch betont, in-
dem der erste Vokal überwiegt. Eine
Ausnahme macht nur tö s. §. 51.
ItJ. Al^ ei^ das mhd. ei, wechselt in
den verschiedenen Mundarten zwi-
schen ei, eij ai: g'seid, g'seid
g'said (gesagt). Doch überwiegt ei,
mit leisem Uebergang in ei, — Un-
organisches ei s. §. 25.
10. All 9 OIJ (das mhd. ou) z. B.
lau ff (laufen), toub (zornig). Un-
organische Verkiirzung in ä zeigt
der Bergname grab häpt (grau
Haupt) Gr.
17. KB (ie) das mhd. le, z.B. chries'o
(Kirsche). Oft unorganisch für ae,
4: Mac. 16. 17. und für üe: Gr. 15.
daher auch für oe , weil dieses für
üe: Mac. 25. So steht mies (Moos)
für mües (s. §. 22)1; dieses für
muas (s. §.21) und dieses für m6s
(s. g. 11.)
18. m (iu) s. §. 26.
19. tJJL^ VE (ua, ue) das mhd. uo,
z. B. due(da, vonderZeit) brueder
(Bruder). Zuweilen für 6 : Mac. 14. 17.
oder ä: Gr. 30.
20. Assimilierung des Diphthongen zum
verwandten langen Vokal, nach Art
des Nhd. » hat I. z. B. güd (Gut)
17
brüdej. Diss ist fast nothwendig,
da uo in I. wie in Mac. für 6 gilt
z. B. bruod (Brot) und ohne jene
Assimilierung 2 ganz verschiedene
Vokale zusammenfielen. Auf andre
Weise entgeht dieser Gefahr Mac.
(s. $, 31.) Die Assimilierung des uo
haben auch einige der VII Commu-
nen z. B. mütar (Mutter),
III. Umlaute*
21. Sie treten gutentheils nach hochd.
Regel ein, d. h. da wo nachfolgen-
des i Ursache ist oder war; aber
der Silvier macht sich auch kein
Gewissen daraus, sie sonst anzuwen-
den z. B. hius (Haas) und sie wer-
den ihm ein Mittel, Misverständisse
zu vermeiden (s. §. 20. vgl. m. §. 31.)
Die Umlaute der ersten Art scheinen
mehr etwas Ueberliefertes , die an-
dern eine frische und zunehmende
Eigenschaft des Silvlschen.
22. Von der Lautentstellung sind die
Umlaute im Si. mehr betroffen als
im Aleman. und ungefähr so wie in
den nhd. Mundarten z. B. t^de
(tödten), gsinnigot (gesündigt),
Itt (Leute), vgl. auch §. 17 über
ti^de u. s. w. und §. 31.
23. E (e) aus a, s. §. 5.
24. AE (aus ä) z. B. chaef, laer,
(Käse, leer; ahd. chäsi, läri).
Sodann für unorganisch-langes e z. B.
^2ie (gegeben). :
25. JEWJ (von au, ou) nur in Mac,, wo
es ew lautet: ervrewe (erfrejien).
5
.1
18
Unorg. Uebergang in et z. B. vreid
(Freude).
26. nr (das mhd. iu), hier nur als
Umlaut von ü und Schreibart für
langest/, z.B. liuto (läuten), hius,
hiuf (Haus). Verwandlung in i
s. §. 22.
27. ö (aus 0) z. B. wörtji (Wörtchen
Ri.) häufig in c verwandelt : d ech t ro
(Töchtern) Gr.
28. OE (aus 6) z. B. hoere, meist
entstellt s. §§. 7. 47.
29. w (ü) aus u: gsünds (gesund) I.
30. t^ (ü, o) zwischen ö und ü stehend,
ähnlich dem Franz. e in 1 e , c e ; ein
Laut, der gewöhnlich nicht bezeich-
net wird, aber im Niederdeutschen,
Engl., Dan. und Schwed. vorkommt,
(s. Rapp Phys. der Spr. 1, 25.) z. B.
dii, diie (Mac. 14.)
31. -d:(üe)vonua,ue z.B. tuen (mhd.
tuon) giied (Gut), diss besonders
in Mac. Oft entstellt sich üe zu ie
i. §. 17. In Ri. wird es zu 16 z.B.
bri6ch (ahd. pruoch, Hodt) vgl.
§. 14.
IT. Tonlose Toluile*
32. Während das Nhd. sich hier mit
e und e, das Alem. mit i und e be-
gnügt, durchläuft das Silvische fast
die ganze Leiter der einfachen Vokale.
ää. A (ö) z. B. jungfta (jüngster) Ri.
fpigal (Spiegel), I. und in Mac. im
Diphthong ua, obwol hier so un-
bestimmt, dass man fast ^ sezen
dttrfie.
34. SS (e) entsprechend dem nhd. e in
Güte z. B. chume (veniam).
35. E (e), der Laut, den zuerst Schmeller
(Bair. Mundart. S. 25) der gehörigen
Aufmerksamkeit gewürdigt und durch
9 bezeichnet, Rapp (Phys. der Spr.
1, 21) mit dem Namen Urlaut belegt
hat. Er findet sich in allen euro-
päischen Sprachen, nhd. z. B. in
vater hoeret, besonders häufig in
den deutschen Mundarten, wo er
meist die Endsilbe en ersezt.
36. M (i) Wie im Alem. so auch im
Silv. tritt tonloses t häufig an die
Stelle eines nhd. e z. B. lütri (Helle)
AI. Es hat aber noch weitere Aus-
dehnung: himil (Himmel).
37. O und lT(o, u) sind, wie auch im
Wallis, sehr häufig in tonlosen End-
silben: atto (Vater), t an zo (tanzen),
wemmo-mo (wenn man ihm), hen-
do (habe dich), gsinnud (gesün-
digt, gesihnet), verlumpud (ver-
lumpt), k a n gu d (gegangen), z'v r i du
(zufriden). Der Laut dieser o und u
ist so entschieden, dass wenigstens
ö nicht selten lang erscheint s. Gr.
13. 15. Am meisten solcher End-
silben haben R., Ri., L, die isolier-
testen Gemeinden; ganz ^tbehrt
ihrer keine , wie auch k«ine walli-
sische.
38. Gänzliches Verstummen der Vokale
köiümt iiii Silvischen uiig^fllhr unter
denselben Umständen wie im Alem.
vor: b'sünne (besonnen), g*ftande
(gßst^nden), saoh* (Sache), mtm f.
mtüfin, minemu.
39. Wo die Natur des Wurzelanlauts
nicht erlaubt, die Vorsilbe ge yokal-
los zu sprechen, verschmilzt dieselbe
mit dem Wurzellaut und macht ihn
härter z.B. pur (Bauer), fürg'bür,
p e r d (s. Gr. 20.) k a e (gegeben) für
g'gae.
40. Tonlosigkeit und Verstummen be-
trifft die Vokale einmal in Vor- und
Endsilben: verpuzt, g'said, atto,
att'; sodann in angelehnten Wör-
tern (encliticis) vor und nach einer
Hauptsilbe: der-atto, dr-atto,
zu^-n-^me (zu ihm), said-mu,
(sagt-ihme).
iL Anlehnung ist durch den Gedanken-
strich bezeichnet, ausser in den
Fällen, 'WO sie Assimilation bewirkt
hat: hemmo f. hed-mo, hec-
khebfd f. hed-khebfd.
IT« lilquide CoiMOiiaiiteii«
42. R (r) verwandelt nicht selten den
vorangehenden einfachen Vokal in
einen Diphthongen : ä f r, b i f r g oder
befrg, hierz (er, Berg, Herz)
umäermöd (umarmt). Aehnlich
das Cimbrische z.B. iar für ir (ihr).
43. Von einer verwandten Wirkung, die
im Alem. das r in Begleitung eines
festen Lautes fast immer hat (fwärz,
wört, ehürz) zeigt das Süvische
nur schwache Spuren s. Gr. 32.
44. li (1) nimmt, w.enn es vor t steht,
ein j an, z.B. Iji^ cht (Licht), Ijt^
(Flussname), Ijizil (wenig). Genau
die Aussprache des gequetschten
italienischen gl z. B. in gli und
des franz. l mou 1116, nur dass jenes
bloss selten, dieses gar nie im Anlaut
erscheint. Näher steht insofern das
spanische ^/, geschrieben II z. B.
llano (planus), Uamar (clamare),
s. Diez Gramm, d. rom. Spr.1,209. 211.
45. nr (n) ist wie im Alem. häufig apo-
kopiert, oline aber wie im Schwab,
dem Vokal ciuen Nasallaut zurück-
zulassen, z. B. mä (Mann), su, sü
(Sohn), gsi (gewesen).
46. Ziemlich allgemein gilt die Regel,
dass bei nachfolgendem Vokal das
n bleibt, ja es tritt in solchen Fällen
selbst unorganisch ein: zue-n-eme
(zu-ihme).
47. Vor ch assimiliert sich n gerne mit
dem vorhergehenden Vokal und
macht ihn lang oder diphthongisch:
trichu (trinken), deich o (denken).
S. auch Gri. iS.
in. Spiranten«
48. H (h) in vollkommen deutscher
Geltung, d. h. nie nach italienischer
Weise von Aphärese betroffen: hed
(hat), hüs (Haus). Im Inlaut ist es
fast unhörbar : g' s e h i d (gesehen) .
49. JF (j), ebenfalls nach deutscher
Weise z. B. jungro (jüngrer), ja
(ja). Unorganisch drängt es sich
nach l ein (s. §. 44) und vor e:
sjegf (sagen), khjemf (kommen
ahd. queman), ent-chjed9 (ant-
m
Worten ahd. antquedan), zjeme
(zusammen 1).
80. Wie n, doch seltner, dient auch / zur
Vermeidung des Hiatus : Mac. 13.
81. s (f, s). Zwei Zeichen, verschiedene
Aussprache andeutend : s ist das
allbekannte reine, scharfe z. B. in
sach (Sache), hüs (Haus, fist breit,
fast wie unser seh z. B. fach, hüf
sprich: schach, husch.
82. Bei einigen silvischen Mundarten,
z. B. in R. und Ri. , ist f weit die
vorherrschende Aussprache. Das Lys-
thal, AI. und Mac. beschränken sie ;
ganz frei ist keine davon , ebenso
wenig eine wallisische, wogegen die
üechtländischen gleich dem Alem.
und Schwab, den Laut f auf die
Fälle beschränken, wo der Spirant
an- in- oder auslautend mit einem
andern . Consonanten - gepaart ist :
ftei, fafte, laft.
53. Das Ci. hat für diesen Spiranten
auch meistens die breite Aussprache
(Schm. 664), überhaupt herscht sie
fast in ganz Oberitalien. Nach Rapp
(Phys. der Spr. 1, 68) wäre sie im
Ahd. die allgemeine für s gewesen,
und die scharfe Aussprache des mo-
dernen s hätte sich erst dadurch
entwickelt, dass dem s ein seh, aus
sk entstanden, gegenübertrat.
54. ÜT (w) klingt meistens wie im
^) Nach ch haben dieses j auch Simmenthal
und Fruügen z. B. i-chiumc Och komme)
8. St. Dial. 63.
Deutschen , dagegen sprechen es
I. , R. und Ri. fast durchgehends
wie II z. B. uaßer, uit u. s. w.
und diss mag zu einer Vergleichung
mit dem Angelsächsischen (s. S. 2, 4)
Anlass gegeben haben. Die Ver-
wandlung des w in u wird den ge-
nannten Mundarten dadurch gebo-
ten, dass ihr v auf italienische Weise
zu w geworden ist z. B. wirft ei
(Feuerstein), weldfpigal (Feldspie-
gel, Fernrohr).
55. Dieses w ist jedoch nicht ganz so
wehend wie das unsre , sondern
fester, indem es den Laut v noch in
etwas hören lässt, fast wie vw. Im
Ci. ist diese Romänisierung des v
durchgreifend, dagegen haben sich
die obersten silvischen Gemeinden
Gr., AI., Mac. davor bewahrt.
Tu» Feste Coniioiftaiftteii (mutac).
liippenlaute.
56. B (b), fast immer mit weichem
Laute , entspricht dem nhd. z. B.
brunno (Brunn), birccho (Birke).
b für w wie in unsrem Wittib s. §. 16.
57. "P (p), (nicht unsres in Panzer u. s. w.
das p'h lautet, sondern dasjenige,
das wir für b sprechen) erscheint
sehr selten z. B. luftparkeit. AI.
58. Einigemal ist es aus b durch Aphä-
rese von ge entstanden s. §. 39.
59. V (f) in den Fällen wo die Sprachen
der zweiten Lautstufe (Gothisch,
Niederdeutsch u. s. w.) p haben;
in- und auslautend: fläfe, fhaff9.
AnTailtend in: fanno (Pftüine),
f af f (Pfaffte) Ri. Vgl. jedoch §. 77.
60. V (v) da wo die genannten Sprachen
/* haben, z. B. vatter, voll, van,
vr6,wömve(fünf),zwailve (zwölf).
61. Die Verwandlung des vin w s. §. 54.
Vor Vokalen tritt sie selbst in solchen
Mundarten zuweilen ein, die im
üebrigen den Laut des v rein er-
halten haben, z. B. iuwerftande
(Mac.)
* Zungenlaute.
62. Das Verhältnis des weichen (d) zum
harten (t) ist fast wie bei den Lip-
penlauten s. §. 56 — 58.
63. Doch erscheint t hier öfter als dortp
z.B. triebe (trinken), atto (Vater).
64. Auffallend, aber überhaupt dem
Schweizerdeutschen eigen, und viel-
leicht Folge der romanischen Nach-
barschaft, ist das häufige Vorkom-
men des weichen Lautes, zumal am
Schlüsse : h e d (hat), g' s a i d (gesagt)
u. s. w.
65. Die Anlehnung veranlasst häufig den
Ausfall des d oder t: gemm^r
(gebt mir), jihc-mo (Gr. 18).
66. Dagegen tritt d (oder t) als unor-
ganischer Anlaut einigemal vor f, z. B.
dfi (suus) L Eine Eigenheit aller
Schweizermundarten, besonders aber
der südwestlichen, ist das t vor f h,
z. B. tfhedre (schnarren), schwä-
bisch: fhettre; tfhapp'l für
fhappel (Kranz). Im Silvischen
kenne ich nur drei solche Anlaute:
31
trhocke(Fels),tfhapter(Schü8ter),
tfhenka (Zweig).
67. Der aspirierte Laut (K) nimmt
dieselbe Stelle ein wie im Deutschen.
68. Desgleichen sein Nebenlaut ß, der
den weichen Laut unsers s hat und sich
von dem silvischen s, wo es (nach§. 55)
aus r entstanden ist, nicht nnter-
scheidet. Daher in R. unorganisch
auch fi manchmal zu f wird z. B.
wir (was).
69. Eine merkwürdige Spur der organi^
sehen Aspirata (th) ist im Orts-
namen Edelboden (Gr.), der fast Es'l-
bode lautet. Er kann nicht vomThiere
genommen sein, da dieses efel
heisst; s steht also hier für den Laut
thy den das Englische bewahrt hat.
Wird Adelboden im Bemer Oberland
vielleicht ähnlich ausgesprochen?
Kehllaute.
70. Das Verhältnis des weichen (g)
zum harten (k) ist ganz wie bei den
Lippenlauten (s. §. 56 — 58): der
harte erscheint nur für verdichtetes
g z. B. kae f. g'gae (gegeben) vgL
§. 39.
71. Die erste Aspirate eb tritt zwar
überall ein , wo die bekannte alem*.
z. B. chamro, chgrzo (Rammer,
Kerze) chraft, chleid u. s. w.,
hat aber nie den berühmten schwei-
zerischen Krachlaut, sondern klingt
wie in den deutschen Mundarten.
Im Üebrigen ist sie bald guttural :
lache (lachen), bald dental: chinn
n
ckSrzo, chleid a. s. w. Diss
-die hervorstechendste Eigeuheit der
lepontischen Mundariea gegenüber
den alemannischen. Die Weichheit
des eh ist so entschieden, dass es
einigemal selbst in g und h über-
geht: etligi (etliche) I. ^liho
(Ehe, ahd, eolicbi) Bi.
79. Die zweite Aspirate Ul (mit dem
Laute ^ den k im deutschen kauf,
köpf hat), tritt nur in den seltenen
Fällen ein, wo im Anlaut durch Zu*-
sammentreffen von g mit h oder ch
eine eigenthümliche Verbindung ent-
steht: khoerd (gehört), khleided
(gekleidet). In khjemf (kommen)
ist durch eintretendes / das eh zu
beschwerlieh geworden und kh an
seine Stelle getreten.
im. Doppelconsonantenu
73. Unsr (i\n) ist wider die Regel , die
S. 7, b. A. i angenommen wurde,
einigemal auslautend geschridien :
chinn, unn; der DeuÜiebkeit zu
liebe.
7#. nd (nd), assimiliert sich meist zu
nn z. 6. üverftanne, chinn,
unn.
7S. Zum Ersätze tritt da&n manchmal
nd für n auf z. B. dindfru(tuorum),
z-£ind (zu sein) AI. Ebenso das Ci.
maindar u* s. w. für mainar.
Vgl. auch unser minder und das
lat minor.
76. SM, (fb) (das ahd. sk, mhd. seh)
lautet bei ungenaiieia Hörep wie
unser seh; bei genmem yenrimmt
man f und davon getr<3nn( ein cA,
das kaum von h zu unterscheiden
ist. Diese Aussprfiche entspricht
besser als die unsre der Entstehung
des 8ch ; denn der Laut, den dasselbe
hat , ist wol weniger aus der Ver-
schmelzung des 8 mit ch zitx er-
klären, als aus dem Laute des f, der
bei uns den des ch ganz verschlun-
gen, im Silvischen aber nur zu h 'ge-
macht hat. Lezteres hat sich viel-
leicht in dem Stadium der mhd.
Aussprache eriialjten.
77. W (pf), z. ß. trepfo (Traufe)
Ri. chgpf erft m. (Gibel) Rl. pfifo
Mae. Im Ganzen weit seltner als
im Alem., namentlich anlautend meist
durch f ve'rtreten s. $. 89.
78. CK (ck), z. B. lecko (legen),
brücke (Brücke). Die Schweizer
schreiben hier leggen, brugg;
nicht weil sie gg statt ck sprächen,
sondern weil ck ihnen für das un-
gebräuchliche cch gilt.
79. CCH (cch), z. B. rhieeh^,
gTiceht. Wie das Lepont. und
Alem.^ consequenter als das Ober-
deutsche, aus dem goth. k durch-
weg ch gemaebt habe« , so .aus ck
durchweg eck. Für seine Aussprache
giU die Regel §.71.
I I I I > m^^-y^.
23
C^eschlehtliche Betraehtmifreii«
Obwol die Annahme eines engen Zusammenhangs aller lepontischen Deutschen
und ihrer Stammesverschiedenheit von den alemannischen vielleicht noch kräftiger
gerechtfertigt werden sollte, als im Bisherigen geschehen ist, muss ich doch um
des kurzgemessenen Raumes willen schon hier zum historischen Theil dieser Ab-
handlung übergehen, der freilich nur dann einen Sinn hat, wenn jene Annahn»e
begründet ist; thue es aber umso unbedenklicher, da die Geschichte selbst wieder
manchen Beweis für jene Annahme liefern wird. -— Ganz genau lässt sich keine
Mundart gegen die andre abgrenzen : halten wir uns an die Merkmale, die gj. 31.
SS. 71 angegeben sind, so erstreckt sich der lepontische Stamm aus Oberwallis
südwärts nach Piemont, ostwärts (über Urseren?) in einzelne Thäler Bündens,
nordwärts ins Berncr Oberland,« vielleicht auch nach Obwalden und in einige
deutsche Landschaften von Freiburg. Seine Grenzen sind im Westen: bis zu den
penninischen Alpen burgundische Romanen (Waat, Niederwallis), von da südwärts
lombardische, jezt savoyische (Val d'Aoste); im Norden: Alemannen (Lucern,
Entlebuch, Bemer Unterland, Freiburg); im Osten: zuerst wieder Alemannen (Nid-
walden, Uri bis zur Teufelsbrücke), dann auf eine kleine Strecke Ghurwalchen (Vor-
derrhein), zuletzt lombardische Romanen (Tessin, Piemont). Nach Süden läuft
er in einen Keil aus , dessen lezter Punkt läsime ist* •*- Billig erhebt man die
Frage : welchem deutschen Volksstamm ist es gelungen , hier , unter dem Schuz
rauher Gebirge , seine angeborene Sprache mitten zwischen romanischen Stämmen
treu zu bewahren? Die Geschichte, soweit sie durch Urkunden spricht, gibt auf
diese Frage keine Antwort und so ist der Vermutung ein weites Feld geöffiiet.
Doch zeigt sich auch dem flüchtigsten Blicke , dass dasselbe über die Grenzen der
Völkerwanderung nicht hinausgreifen darf, denn auf den Verhältnissen, die diese
geschaffen hat , ruht das ganze jezige Völkerleben Europas » handle es sich um
politische oder um Sprachgrenzen. Mustern wir nun die Reihe germanischer Völker,
die die Geschichte mit den penninischen Alpen in längere Verbindtmg gebracht
hat , so begegnen uns da vom Süden her Clmbern , Ostgothen und Langobarden ;
vom Norden her Burgimden, Alemannen und Franken. Von leU^tern kann freilich
hier nicht die Rede sein : sie sind zwar allenthalben die Herscher gewesen , aber
sie Hessen den unterworfenen Völkern , Aleinannen , Burgunden i Langobarden den
Boden , die Gesetze , den Namen , ja manchmal eigene Fürsten , so dass atil eine
fränkische Einwandenmg Niemand rathen wird.
3<ft
I. Gimbern, mit Teutonen und Ambronen lange der Schrecken Roms
(415 — 101 vor flbr.), endlich «wischöiVercelll" und Verona Ton Mat'ius vernichtet.
Der cimbrische Schrecken ward in Italien sprichwörtlich und scheint noch jezt
nachzuhalten, denn unbekümmert um die Schwärme der eigentlichen Völker-
wanderung greifen die italienischen Gelehrten , wo eine deutsche BeTölkerang im
Süden der Alpen erklärt werden soll , immer zuerst nach den- Gimbern und bei
den venedischen Deutschen hat sich diese grundlose Mutmassung selbst dem
niedem Volke mitgetheilt, das nun sagt: wir saint Gimbarn.. (Schm. 565.)
Angenommen aber auch, dass versprengte Gimbern da oder dort eine Golonie ge-
gründet hätten , wie wollte man sich erklären , dass kein römischer Schriftsteller
derselben erwähnt? Wäre denn eine solche Sprachinsel im Stande gewesen, ihrer
Aufitierksamkeit zu entgehen ? Zumal wenn es sich nicht nur um einige dOnkie
Gemeinden, sondern um eine zahlreiche nördliche Verwandtschaft handelt. Auch
weist die Geschichte aller dieser Berggegenden, so dürftig sie ist, doch mit Sicher-
heit , darauf hin , dass sie erst sehr spät bevölkert worden sind. Schon zur römi-
schen Zeit stunden sie leer, denn weder celtische noch römische Alterthümer sind
in den eigentlichen Hochthälern zu finden. Für den Anfang der germanischen
Zeit aber gentigt als Beweis , dass sie keine eignen kirchlichen Decanate bilden
und diejenigen , denen sie bei zunehmender Seelenzahl einverleibt wurden , eben-
daher alle von unverbältnismässigem Umfang sind. Während z. B. in dem. kleinen
Dreieck zwischen Aarburg, Lucern und Brugg beinah viere Platz finden (MelUngen,
Aarau, Hochdorf nnd das halbe Russwyl), umfasste Lücern ursprünglich nicht
allein' die Umgegend dieser Stadt, sondern auch Unterwaiden, Uri und den grösten
Theil von Schwyz , so dass es später in fünf Sextariate getheilt werden muste.
Das Gapitel Zürich reichte von Baden an der Limmat bis zu den Quellen der
Unt; Münsingen auf dem rechten Aarufer von Bern bis zur Grimsel; Bern
auf dem rechten bis an die Quellen der Simme , Kander und Lütschine. iDie An-
nahme uralter Gebirgsstämme oder einer Bevölkerung der Ebene von den Bergen
aus fällt damit von selbst. — Um der cimbrischen Reste noch kurz zu gedenken:
wenn einzelne Schaaren wieder den Weg über die Alpen nahmen , warum Hsst
inan sie nicht zu ihren daheimgebliebenen Landsleuten zurückkehren? Das lag
ihnen, da sie nichts verbrochen hatten, gewis näher als die Besesung eines
Landes, mit dem sie erst den harten Kampf der Urbarmachung hatten. Dass aber
der Gedanke einer solchen Rückkehr den wanderkundigen Germanen nicht ferne
lag , beweisen jene 26000 Sachsen , die sich nach Paul Diak. an die Langobarden
angeschlossen hatten und dann , weU ihnen deren Herschaft nicht mundete, dnroh
Gallien wieder heimzogen.
25
2. Ofitgothen. Dieser Zwdg' des edeln Gothenvolks hat in Italien nnter
Theodorich eben so ruhmvoll als kurz geblüht (490 — SSO), und einen herberen
Untergang gefunden als irgend eines von den Völkern des grossen Wandersturmes.
Sollen die lepontischen Deutschen gothischen Blutes sein, so ist die Einwanderung
entweder kurz nach der Besiznahme Italiens (um 492) erfolgt oder beim Untergang
des Volks. Jenes ist unwahrscheinlich , denn die 200,000 Gothen Theodorichs
fanden im schönen und menschenleeren Italien, von den Alpenseen bis nach
Syrakus hinab , gewis hinreichende Wohnsize , so dass sie ihre Zuflucht nicht zn
onwirthlichen Höhen zu nehmen brauchten; auch ist jene Zeit schon ziemlich
vom geschichtlichen Tage beschienen, und doch meldet keine Nachricht, dass
Theodorich, der Friedliebende, für nöthig gefunden., iiber die Alpen herüber zu
greifen, wo das Land im Besiz der Burgunden und Alamannen war. — Eher könnte
man denken, dass der Zerfall des ostgothischen Reichs Flüchtlinge in die fraglichen
Thäler geführt habe. Mit Theodorichs Tode schien alles Glück von seinem y;olke
gewichen : der Staat den er gegriindet , das Volk das er gross gemacht hatte,
lösten sich nach 20 jährigem Todeskampfe vor der griechischen Uebermacht auf.
Von allen Thatsachen aus dieser Zeit üesse sich nur eine einzige vielleicht hieher
ziehen , nemlich dass nach der Schlacht am Vesuv 4000 Gothen von Narses Er-
laubnis erhielten , mit ihrer Habe aus Italien abzuziehen. Da sie , nach Prokop,
ausdrücklich sagten, sie wollen nicht dem Kaiser gehorchen, sondern nach eignem
Rechte bei andern Deutschen leben , so lässt sich erwarten , dass sie sich , wenn
sie nicht wie manche ihrer Landsleute das gegebene Wort brachen , irgendwo im
Reich der Franken niedergelassen haben, die während des ganzen Kriegs ihre
Hoffnung gewesen waren. Stumpf beruft sich auf eine Sage seines Vaterlandes,
dass die Bevölkerung Uri's von diesen Flüchtlingen abstamme , aber solche Sagen
enstehen , wie S. 24 ein Beispiel gibt , gar zu leicht aus spätem Muthmassungen
der Gelehrten , als dass man auf sie bauen dürfte. Dass diese hier Grund haben
könne, wer wollte es leugnen? doch forscht man. vergebens nach Gründen, warum
die Gothen gerade eine so rauhe Gegend ausgewählt haben sollen, da eine Schaar ge-
prüfter Helden jedem Könige dem sie dienen wollte, damals höchst willkommen war, und
bei den Franken oder den spanischen Westgothen gewis ehrenvolle Aufnahme fand.
3. Langobarden. Aus ihren Stammsizen zwischen Elbe, V^eser und Aller
ziehen sie um SSO gegen Süden; seit 400 erscheinen sie in wechselnden Sizen
nördlich von der Donau; S68 führt sie Alboin aus Pannonien nach Italien und
gründet das langobardische Reich , von dem die Bewohner Oberitaliens bis auf
qnsre Tage den Namen LQmbarden tragen, obwol es schon 774 durch die Franken
seine Selbständigkeil verlor. Soll der lepontische Stamm auf Langobarden zurück-
4
26
geführt werden , so stallt sich wie bei den Ostgothen zweierlei als möglich dar :
entweder sie haben bei der ersten Einwanderung Besiz von diesen Gegenden ge^
nommen oder beim Untergang ihres Reiches. Wenn bei den Ostgothen das Leztere
minder unwahrscheinlich war , so ist es hier das Erstere , denn die Unterwerfung
des Langobardenreichs durch Karl war kein Vertilgungskampf, wie der, welchen
die Ostgothen durchmachten ; vielmehr wechselte das Volk nur den König , seine
Verhältnisse blieben. Weit eher Hesse sich dagegen annehmen, dass beim ersten
Stoss der Einwanderung eine Welle über das Gebirg geschlagen und dort einen
Rest langobardischer Bevölkerung zurückgelassen habe. Die Geschichte bietet
Manches dar , was auf diese Vermutung führen könnte , indem sie aus der ersten
Zeit des langobardischen Reichs Kunde gibt von einer starken Neigung desselben
zu Uebergriffen ins fränkische. Schon 869 brechen Langobarden in die gallischen
Marken ein, werden aber zurückgewiesen ; 874 kommen sie abermals, bringen den
Burgundern eine furchtbare Niederlage bei, und ziehen mit reicher Beute heim.
Den Ort beider Einfalle verschweigen die Berichterstatter Marius und Gregor.
Später wandte sich das Blatt: ein dritter Einfall, in die Provence (87S), endete
mit einer grossen Niederlage bei Embrün , durch den Patricier Eunius Mummplus,
dessen kluge Maassregeln Ursache waren , dass nur wenige entkamen ; 875 wagten
sie einen neuen Raubzug und zwar dissmal ins Wallis , das sie viele Tage lang
nne hatten , bis die burgundischen Herzoge Theudefrid und Wiolieh sie bei Bex
oder S. Maurice so aufs Haupt schlugen , dass nur 40 entrannen ; ein fünfter
Zug endlich (876), wieder in ' die Provence , nuslang abermals, und wieder bei
Embrün durch Mummolus, vollständig. Seit dieser Zeit scheinen die Langobarden
keine weitern Versuche gemacht zu haben , vielmehr drangen die Franken fortan
öfter in Italien ein, zu dessen Unterwerfung sie schon damals den Grund legten*).
Nach dem Bisherigen wird Niemand auf den Gedanken kommen, die Stammväter
')'} 576 nemlich , nach der zweiten Niederlage bei Bmbrün , mnaten die Langobarden den
Frieden durch Abtretung der Landschaften Susa und Aosta erkaufen, wodurch die
fränkische Politik die beiden Uauptpforten des westlichen ItaUens, den Montcenia und
den Monljoux (gr. Bernhard), gewann. Susa und Aosta, die bisher unbestritten seu
Italien gehört hatten, blieben burgundische , also fränkische Markgraflschaften ; sind es
gewissermassen noch, insofern sie die Grundlage wurden, von der aus sich ein proven-
calisches cburgundisches) Haus, das savoyische, in Italien ausbreitete. Jene Abtretung
von 576 ist also auch Ursache, weshalb die gebildete Sprache Piemonts das Französische
ist, und die Mundart dieser Landschaften dem Italienischen ferner steht und mehr vom
Provencaliscken hat, äla man ohne disa erwarten dürfte, (vgl. 0. 8, A. 8.)
27
für irgend eine Bevölkerung im Westen oder Norden der Alpen unter den Lango-
barden zu suchen, nicht allein weil alle die genannten Einfälle, etwa mit Ausnahme
des ersten , nur auf Raub , nicht auf Landerwerb ausgiengen , sondern auch weil
sich nicht annehmen lässt, dass nach so widrigen Erfahrungen ein Volk, dem in
Italien noch manche herrliche Eroberung gegen die fernen Griechen zu machen
blieb , es vorgezogen hätte die beschwerlichen Alpenpässe zu iiberklettern und
jenseits in rauhen Bergthälern den kriegerischen Franken Wohnsize abzunehmen.
Dass ein Gregor, Fredegar und Paul Diakonus ein solches Ereignis gänzlich über-
gangen hätten, ist ebenfalls nicht anzunehmen.
4. Das Volk der Alamannen wird zuerst 213 genannt und erscheint da um den
Main, in denselben Gegenden, wo zuvor Usipier, Tenkterer und andre kleine Stämme
gewohnt hatten, so dass man annehmen mnss, diese Völker haben sich, gleich den
Sachsen, Franken, Düringen, zum Zwecke grösserer Kraft, die den Römern gegen-
über so nöthig war, in eine Eidgenossenschaft vereinigt. Diese hiess Mamannida
(Almend), davon die Benennung Alamannen, die die bisherigen Völkernamen ver-
schlang. Ein raub- und eroberungslustiges Volk sind sie während des 3ten und
4ten Jahrhunderts dem römischen Gallien und Rätien beschwerlich; um 300 er-
scheinen sie als Herrn alles Landes auf dem rechten Rheinufer zwischen Main und
Bodensee; und während des 4ten Jahrhunderts handelt es sich für die Römer nur
noch um nothdürftige Deckung der Rheingrenze, daher um 370 Valentinian, nach-
dem die Alamannen wieder bis Chalons an der Marne gestreift waren , den Rhein
von Rätien bis zum Ocean mit einer Reihe von Bevestigungen versieht. Wann
sie diese durchbrochen und vom Boden der heutigen Schweiz dauernd Besiz ge-
nommen, ist unbekannt; ohne Zweifel geschab es zwischen 406 und 408, in jener
furchtbaren Zeit, wo das römische Reich vor den allseitigen Angriffen der Barbaren
in seinen Grundvesten wankte und durch den wandalischen Einfall seiner nord-
westlichen Provinzen beraubt ward ; damals hatten sie freie Hand einen gewis
alten Wunsch zu erfüllen. Hier handelt es sich vornemlich darum, die
Grenzen zu erfahren , welche die Alemannen damals im Süden des Rheines ein-
nahmen. Gegen Osten ist die Antwort nicht schwer: vom südlichen Rätien
(Raetia prima, propria) blieb sicher der gröste Theil, so viel als noch Jahrhunderte
lang nachher der Sprengel des Bisthums Chur umfasste, in römischen Händen, und
machte bis zum Sinken des ostgothischen Reichs einen Theil Italiens aus. Die
Thatsache selbst ist unbestritten , nur über den Umfang des römischgebliebenen
Rätiens können Zweifel walten ; den Beweis für die Richtigkeit der angegebenen
Grenze leistet die Thatsache, dass innerhalb derselben die römischen und celtisch-
römischen Ortsnamen blieben , wogegen nach Westen und Nordwesten nur wenige
28
bedeutendere Orte (Arbon, Constanx , Winterthnr, Zürich , Wiodisch, Basel, Solo-
tburn u. a.) früheres Dasein verrathen , alle übrigen aber erst von den germani-
schen Erobrern herrühren. Es darf auch angenommen werden, dass zu Anfang
des Mittelalters die romanische Sprache, die unter dem Schuz römischer Waffen
hier der deutschen widerstanden hatte , innerhalb jener Grenzen vollkommen
herschend blieb, denn sie verliert seit Jahrhunderten hier fortwährend an Gebiet*).
Gegen Süden haben die Alamannen als Grenze die Alpen; von der westlichen
später !
5. Die Burgunden wohnten im ersten Jahrhundert unsrer Zeitrechnung an
der Ostsee , zwischen den Mündungen der Oder und Weichsel. Um 200 , wo die
grosse Bewegung der deutschen Völker begann, rückten auch sie vor und erscheinen
im vierten um den obern Main als nordöstliche Nachbarn der Alamannen, aber
nicht als deren Bundesgenossen, wie die Vorfahren der heutigen Schwaben, sondern
als selbständiges V/)lk , mit den Alamannen bald im Kriege , bald verbündet. Der
grosse wandalische Sturm (407) reisst auch die Burgunden mit fort: sie besezen
das Land um die Mainmündung , das die Alamannen entweder verlassen oder an
sie verloren hatten, erscheinen 413 bestimmt als Bewohner Galliens, wo die römische
Politik ihnen, als Bundesgenossen gegen andre Barbaren, Wohnsize anweist, und
dehnen sich im Laufe des fünften Jahrhunderts erst mit, dann ohne Erlaubnis der
Römer , südwärts bis an die Rohnemündungen aus. Ihr Auftreten im Römerreich
erscheint schon von Anfang ganz anders als das der Alamannen : während diese
durch die lange feindselige Nachbarschaft einen tiefen Hass gegen alles Römische
gefasst hatten und so ihre Lebensweise, Sitte und Sprache, ja einige Jahrhunderte
noch ihr Heidenthum bewahrten , hatten sich die Burgunden , ausserdem dass sie
vielleicht mit den verwandten Gothen grössere Bildungsfähigkeit gemein hatten,
noch in ihren deutschen Sizen gewöhnt, die Römer, mit denen sie nicht unmittelbar
zusammenstiessen , als Freunde , vornemlich gegen die Alamannen , zu betrachten,
daher die friedliche Art, wie sie zuerst in Gallien Fuss fassten; die schnelle An-
nahme des Ghristenthums fast unmittelbar nachher ; das gute Verständniss mit den
Romanen. Sehr natürlich war es auf diese Art , dass sie sich bald romanisierten.
Wann bei ihnen und andern Germanen die deutsche Sprache der romanischen
gewichen , das ist noch durch keine Untersuchung aufgehellt ; ob sod&nn anzu-
nehmen sei , dass alle Burgunden das Deutsche aufgegeben oder ob ein Theil des
Volkes, da wo es im Osten an die strengdeutschen Alamannen stiess, seine Mutter-
*) Chur y ISchalfik , Chiirwaldeii , ganz PHltigfiu , die Uochgerichie Maienfeld und d^r fänf
Dörfer waren nooh am Anfang des 15ten Jahrh. romanMclu 8alifl-l9eewit bintorL (Sldir. 81 .
29
Sprache behalten habe, das ist eine vop den Fragen, die mit unserer Untersuchung
im engsten Zusammenhang stehn. Sie wäre sofort gelöst, wenn wir wüsten, wo
zu Anfang des fünften Jahrhunderts Alamannen und Burgunden, die wol zu gleicher
Zeit in die heutige Schweiz eingedrungen sind , zusammenstiessen ; aber Niemand
hat bisher diesen Theil der schweizerischen Urgeschichte einer Prüfung unter-
worfen und so möge denn hier ein Versuch geschehen.
Bursnndlscli-alaiiiaiiiikiclie drenme.
Es ist bei dieser dunkeln Frage vor allen Dingen nöthig, einen Stein zu vdl*-
meiden, woran Viele gestrauchelt sind: die Vermischung der Volksgrenze mit der
politischen. Der Name Burgund hat zur hohenstaufischen Zeit die ganze deutsche
Schweiz mit Ausnahme Rätiens umfasst und so geschah es , dass selbst gründliche
Forscher , wie Mascou und Schöpflin , der burgundischen Bevölkerung denselben
Umfang anwiesen. Mustert man die Hilfsmittel, von denen sich etwas für die
Lösung jener Frage erwarten lässt , so sind es : die Geschichte der politischen
Grenze, die vielleicht Rückschlüsse auf die Völkergrenze erlaubt; femer die Grenze
zwischen der deutschen und französischen Sprache ; die eigenthümlichen Unter-
schiede der lepontischen Mundarten von den alamannischen ; nebst althei^e-
brachten Unterschieden im äussern Aussehen , in Trachten , Sitten und Gesezen ;
endlich die Grenzen der kirchlicKen Sprengel.
i. Geschichte der politischen Grenze zwischen Burgunden und
Alamannen. Undurchdringliches Dünkel liegt über den Jahrhunderten, die dem
Untergang der römischen Herrschaft in diesem Theil Galliens folgten. Wenn die
Geistlichen jener Zeit, die Verfasser von Urkunden und Chroniken, nicht einmal
iiber die Geschichte der Bisthümer Gonstanz (Vindonissa), Basel (Augusta), Lausanne
(Aventicum) und Sitten (Octodurus d.i. Martinach) viel Zuverlässiges und Genaues
berichten, was darf man für die Geschichte einer wenig beachteten Grenzgegend
erwarten, die noch dazu theils von Natur, wie das Moos um die drei Juraseen,
theils durch die lange Reihe der alamannischen Einfälle reich an Öden Strecken
von bedeutendem Umfang war ? Basel und der Elsass zwar müssen , wenn des
gründlichen Schöpflins Forschung nicht eben für seine Heimat in Zweifel gezogen
werden soll, entschieden als alamannisch gelten. Der Elsass hat daher auch seinen
Namen: Alisaz (Fremdsiz) nannten die Alamannen das linke Rheinufer im Ge-
gensaz zu ihrer alten Heimat auf dem rechten ; dass hier die Vogesen eine natür^
liehe Grenze gemacht, ist kaum zu bezweifeln ; welchen Weg aber dieselbe weiter
30
im Süden nehme , da wo sie den Jura und das Aargebiet durchsc;hneidet , dafür
gibt keine natürliche Grenze der geschichtlichen Forschung eine Stüze. Die po-
litische Grenze Burgunds war zu verschiedenen Zeiten sehr verschieden; die
Hauptepochen sind :
a. 408-888.
Eine Stelle aus dem Leben des heiligen Gall von Walafrid sagt: Alamannen
und mit ihnen Sueven besezten einen Theil Galliens um die Aar her. Damit ist
freilich bei dem stark gekrümmten Lauf dieses Flusses und der Wandelbarkeit der
Völkerverhältnisse in jener wogenden Zeit nur so viel gewonnen, dass die Gegend
um Windisch einmal in alamannischem Besize war, indessen werden wir doch
auf einen Punkt der Grenze hingewiesen. ^ Die Unterwerfung der Alamannen
durch Chlodwig (496) ist zwar an sich eine unleugbare Thatsache, aber ia ihren
Einzelheiten so dunkel, dass man aus ihr über den Umfang Alamanniens vor- und
nachher nichts entnehmen kann. Entschieden ist nur , dass ein Theil der Ala-
mannen unter fränkische Herschaft kam, ein andrer sich unter ostgothische begab,
und durch Theodorichs Verwendung gegen weitere Angriffe geschüzt ward. Alle
Nachrichten sprechen für die Annahme , dass sich die Alamannen nicht unter
Theodorichs Fittiche bewegt haben, sondern diese zu ihnen, und es scheint,
Theodorich habe auch hier , wie beim Untergang der westgothischen Herschaft in
Südgallien , mit den Franken die Früchte des Sieges getheilt und seine nördlichen
Besizungen durch einen Theil Alamanniens vei^össert. Es ward also nicht das
ganze Volk vom selben Schicksal betroffen : der nördliche Theil von der Murg,
Enz und Murr bis zur Lahn hinab verlor so ganz die Selbständigkeit, dass er
seither zu Franken gezählt wird und durch eingedrungene Herscher von fränkischer
Abkunft auch fränkisches Recht und fränkische Mundart bekam. Der östliche und
südöstliche Theil , soweit später der Sprengel von Augsburg reichte , kam zum
ostgothischen Rätien (Raetia secunda) und Vindelicien, und erst als Vitiges die
trügerische fränkische Freundschaft durch Abtretung der ostgothischen Lande im
Westen und Norden der Alpen zu erkaufen hoffte (556), an die Franken ; das Loos
des dritten Theiles endlich, des spätem Herzogthums Alamannien, dessen Umfang
dem des Constanzer Sprengeis entspricht , ist am unsichersten , vermutlich war er
mit unter dem Antheil Theodorichs und der Abtretung* von 856. Seit dieser Zeit
machte Alamannien einen Theil des austrasischen Königreichs aus, und der zweite
König desselben, Theuderich, gab ihm einheimische Herz(^. Auch als diese ab-
geschafft wurden, behielt Alamannien Selbständigkeit, Namen und eignes Recht. —
Ebenso bestund Burgund, das fast zu gleicher Zeit mit dem ostgothischen Ala-*
mannien fränkisch geworden war , sogiar ^ eignes Reich neben Austrien und
31
Neustriem Welche Grenze es in den lezten Zeiten seiner Selbständigkeit , also
wol auch unter den Merowingen gehabt, lässt sich aus den Unterschriften auf dem
Goncil zu Epaona siehliessen , zu dem König Sigismund 547 die Bischöfe seines
Reichs versammelte: es befinden sich darunter der von Octodurus (Martinach),
der von Aventicum (Avenche) und der von Vindona (Vindonissa, Windisch). Wegen
Avenche und Martinach (Üechtland und Wallis) waltet wol kein Zweifel, dagegen
streitet gegen eine Ausdehnung des altburgundischen Reichs bis zur Reus die
obige Angabe von Walafrid. Der Zwist lässt sich entweder dadurch ausgleichen,
dass man annimmt, der Bischof einer Stadt, die unter heidnischer Herschaft war,
habe sich^ unbekümmert um politische Grenzen, an den nächsten Erzbischof, dem
er schon zur römischen Zeit untergeben war, angeschlossen und die Alamannen
haben sich, in heidnischer Toleranz , darum wenig gekümmert ; oder aber , es sei
den Burgunden damals einUebergriff ins alamannische Gebiet geglückt gewesen, denn
an eine feste friedliche Grenze darf man wol überhaupt noch nicht denken, da beide
Völker ihren kriegerischen Geist und die Alamannen ihre halbnomadische Lebens-
weise noch nicht aufgegeben hatten. — Spuren , dass dieser Gren^egend grössere
Aufmerksamkeit geschenkt ward, finden sich erst in der zweiten Hälfte des sechsten
Jahrhunderts, als bei den Alamannen nach und nach die fränkische Herschaft und
das Ghristenthum wurzelten : damals wurden mehrere Bischofssize verlegt : Vin-
donissa nach Gonstanz, Avenche nach Läusanne, Octodurus nach Sitten, vielleicht
auch Äugst nach Basel ; und um 570 theilt der Merowing Gundchramn , der Bur-
gund beherschte , diss Reich in drei Theile : Hochburgund , burgundische Alpen,
transjuranisches Burgund (Aar und Jura). Diese Eintheilung blieb, das leztgenannte
Drittel behielt seinen Namen : 573 wird der Tod seines ersten Herzogs Väfarius
berichtet ; 574 schlägt sein Nachfolger Theudefrid die Langobarden bei Bex. Ueber
die Grenzen in der merowingischen Zeit ist keine Angabe zu finden, als die Nach-
richt Fredegars (37) iiber einen Raubzug der Alamannen in Burgund, 610. Sie
fielen , erzählt Fredegar , in den transjuranischen Gau von Aventicum *) ein und
'^'} Man dürfte vemiatlich sagen : ins OeGfatland , denn dieser dunkle Name stammt ohne
Zweifel aus Aventicum und ist deutsche Entstellung für avenüsches Land (pagus aven-
ttcensis). Aventicum ist seit dem Anfang der €^chichte Hauptort für diese Gegenden,
gab scho.n einem der helvettschen Gaue den Namen, behielt diese Bedeutung während
der Romerzeit und noch bis tief ins Mittelalter erscheint es in germanisierter Form
(Ohtttdenges, Üechtingen) als Wohnsia eines edeln Geschlechtes ^ das dem emnitiOue
pifrincensis (Bumplia) vorstund. Während sich die nonanisohe Gestalt des Namens,
Avenche, auch für den Ort bis heute erhalten hat, dauert die geimaBische nur in der
32
«chlug^n die Burgunder gänzlich, nach Reginos Ghroniic an der Aar. Wieder Ist
also um diesen Fluss die Grenze Burgunds und Alamanniens (Austrasiens) zu suchen ;
sie hlieb sich gleich bis zur Auflösung des karolingischen Reichs. Vorher ist nur
Eine Spur davon , dass die Grenze Alamanniens ostwärts gedrängt werden sollte :
in der vorläufigen Theilung, die Karl M. 806 zwischen seinen drei Söhnen entwarf,
zieht sich die Grenzlinie zwischen Pipin (Italien, Baiern), Karl (Niederlande,
Mordfrankreich, Ostburgund) mitten durch Alamannien, nemlich von den
Donauquellen südwärts zwischen dem Hegau und dem Klettgau über den Rhein
(etwa bei Egiisau) und von da^ ungefähr der Reus nach, bis zu den Alpen. Karls
Gedanke ward jedoch durch den frühen Tod der zwei altem Söhne vereitelt und
so blieb es bei den bisherigen Grenzen. Auch der Vertrag von Verdün , so ent-
scheidend sonst , hatte für die Grenzen in der Schweiz nur insofern Wichtigkeit,
als mit dem Elsass, der bisher alamanniseh gewesen war, auch Basel zu Lotha-^
ringen fiel und fortan einen Theil des ostjuranischen Burgunds ausmachte. Weiter
südlich aber ging , wie H. Escher im Schweiz. Mus. S, 48 dargethan hat , der An-
theil Ludwigs des Deutschen , also Alamannien , bis zur Aar. Die Ei*weiterung
desselben über den Jura hinaus , wie sie 870 der Vertrag von Mersen aussprach,
war nur vorübergehend, da dieser Zuwachs, wenigstens grossentheils, bald wieder,
durch den Vertrag von Trient (872), an Ludwig II. und nachher (876) mit Lud-
wigs Kaiserwürde an Karl den Kahlen fiel. Als aber mit dem Tode Karls des
Dicken (888) das karolingische Reich in Trümmer ging, entstunden auch für diese
Gegenden neue Verhältnisse,
b. 888 (9W) - 4248.
Rudolf I , Graf des Juragaus , ersah damals die günstige Gelegenheit, sich vom
neuburgundischen (arelatischen) Königreich, dessen Stifter 876 Boso geworden
war, unabhängig zumachen« Während des Krieges, den er (894 — 90S)mit
Arnulf, dem König der Deutschen, führte, scheint er seine Grenze ostwärts
erweitert zu haben, wenigstens fiel ihm (nach Schöpflin Als, ill.> I, 677) Basel zu,
das 870 wieder an Ludwig den Deutschen gekommen war. Für die Annahme, dass
er auch weiter südlich auf dieser Grenze kriegerische Thätigkeit entwickelt habe,
lässt sich vielleicht die Sage anführen , dass Strättlingen und das Bemer Oberland
Benennnng der Laadschafl ÜeehOand fSefrt^ hier jedoch «nventanden «nd seit Image ein
Stein des Anstosses lOr die Blymologe^ Die moderalateinische Benenmng Nuithonia
liefert keinen Binwand , denn der Anlaut N ist unorganischer Anflug wie im altgerma-
nischen Volksnamen Nnithones für Jnthenes, Jnthae, Jnthangi (s.£5eussl46)
und im sehwähiafshett Nast für Ast.
S3
scdnlieblingsauf enthalt gewesen; ferncor die Stiftung der Kirche yon Strättlingen
und die Erbauung des Thurms zu Spiez, die beide von ihm herrühren. Die Ver^-
suche zur Erweiterung der östlichen Grenzen sezte sein Sohn^ Rudolf IL (942—957)
mit Erfolg fort : zwar unterlag er im Kampf um den Aargau dem ersten alemau"
nischen Herzog, Burkhard, der ihn 947 bei Kyburg schlug; aber 929 erreichte er
doch seinen Zweck, indem ihn Heinrich I. mit einem Theil Alemanniens (dem
Aargau bis zur Reus) belehnte, den Landschaften, wofür ursprünglich der Name
Kleinburgund (Burgundella) galt. Die Grenze von 929 erhielt sich fast 300 Jahre
lang , d. h. nicht bloss so lang Burgund selbständig war , sondern auch nach
seiner Vereinigung mit Deutschland , wo es seit iOS7 unter eignen Herzogen, meist
zähringischen Stammes, stund. Mit dem Tode des lezten Zähringers aber zerfiel
alles Alte und es begannen sich neue Massen zu bilden , die noch weniger als
bisher geschehen war auf die alten Unterschiede zweier Völker Rücksicht nahmen«
Als Grenze Burgunds in der rudolfisch - zähringischen Zeit kann im Allgemeinen
die Reus gelten; wenn auch das Land weiter östlich zuweilen Burgund heisst
(s. S. 84), so riihrt di$s daher, dass es gleichfalls unter den Zähringern stundi
freilich nicht als burgundisches, sondern als schwäbisches Lehen. Bestimmter zählt
noch 42SS eine Urkunde bei Herrgott (395) Glattfelden zu Burgund, Eglisau zu
Alamannien. So hatte sich also der Gedanke , den 806 Karl d. Gr. auszuführen
beschloss, im zehnten und eilften Jahrhundert Verwirklicht«
2. Die französich-deutsche Sprachscheide folgt im Allgemeinen dem
Lauf der mittleren Aar und der Sane. Sie steigt westlich von Solothurn über den
Jura herab^ geht dem Bieler See^ der Thiele und Broye nach, lässt zu ihrer Linken
Murten , die östliche Hälfte der Stadt Freiburg , Bürglen , Giffers , Plasselb , Jaun^
Ablentschen, Sanen, trifft von da mit der Grenze zwischen Bern und Wallis zusammen^
durchschneidet leztres in der Gegend von Siders , so dass das Lenker -, das Tnrt-»
mann- und das Matter-Thal die westlichsten deutschen sind, und hat ihre Fortsezung
an der Rothhomkette, die das Lysthal vom Yal Challant trennt. Auf dem grössern
Theile dieses Wegs ist die Sprachscheide gar nicht auf natürlichen Verhältnissen
begründet , daher muss eine geschichtliche Ursache für sie gesucht werden. Sie
läuft in der Hauptsache gleich mit der Grenze , die das Reich Ludwigs des Deut-
schen durch die Verträge von Verdün, Meröen und Trient (843. 87Ö. 872) erhielt.
Jene Zeit ist, wie der Schwur von Verdun beweist, für die Scheidung der romani-
schen und deutschen Volkssprache von Wichtigkeit , damals begannen diese Ver-
hältnisse Festigkeit Zugewinnen, und derSchluss, dass da tro noch deutsch geredet
wird , Ludwigs und seiner Nachfolger Scepter gewaltet habe , ist wol zu wagen.
Die Grenze von Alamannien und Burgund wäre also damals nicht ganz durch die
5
kup tf^'f^lt^i t^m^ntm, %fmJ^fn im MMm iwn^ rff« Hm^. Ab dMm RaMT L u« ll.
«If« l/l# Kfiir Ni<M* t^rM^hfrfnfft, httHiw At4i «IM M|9r«diir«fltillnlMie faa Cresien scluni
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itli« IIihIh |4nM^i*MiiM( ilnM ill« llnwnhnnr der Mhdwcvitllrhen Schweiz als ein eigner
NiHHiiii fii lii*li'Hi>lilfMi KftJnli. VOv Holitif HtigrciiRnng wurde xnnlichst die Versebie-
iImmIioII diM MiiiHliHliMt liitrholgrMognri , ahrr mich nndrc Merkmale bieten steh
diH' • Wiiiju tinil tio^li>lilMiP!h|(n, Klctdi^rlrflcht, Itiumrl der lü^nner, alte Gebriuebe,
H\\M\s, MIIHMI, VitlKnrtMthh«. Auf dlimi» Onindlagen wir<l jedoch er^t dann ein fester
Hi'hliiM #11 ItHiMMi «ein« ^oiin eine Anaahl auhnerkMinicr Beobachter alle dahin be-
•n^MihiMi YhHiMnvhiMt |i«««iminioll hat i dor Hnrelne kann das Richlige wol ahnen
f^)^n \\\yh\ navh>ftt'lMMi. Mne gant giMiane <«r«^nabcstimmiing ist Tiellclcht nnmOglicii,
dl»^ nm^\\\^ «i^llml nhi^r sli^hl h%\. \p\k t\\ht^ dafür nur KIn Zeugnis an: Sehnhheias
iMdvti'h >\\^ MUllliOM %^$\ \\\ t'iMtnn I^M^ mn IHM (abgedruckt in Wirseaa
IM^^v^HaUwn df *^^»MMf^i ÄHf^NMitm tu HtlitH^^m 4M9mHn. Vfmimf I8!l7>: «vieles
\\\\\\\ TSwf \\W \ \^vwuUu\g, dl^w dH^ Ko>s^iHsr v«« ttvnrka:^ ObwaUle«, l rserea
^Mh^^üiVM«^!^ V^V^nt«^^ ^mUmt nK'h \ikMr>sa«htl hihI vtMft anilerMr Herk«nA ^Im als
(^^v^ ^ ^ a^div «^«^h^Kmh ^Kmt Soli%t4t b^>SMitrrt Kak««.» Flr elM
^'ilV^^N^KON HM^ wK «VM^ iMict^ Mit .\\ii4Mliiaipm k<fw9ffik «• Was raent
^''W'iÄif'a ^ifi^'^'SfWi ^"Wwaa ^t^a^ow ^v^^'iwaa
%f<Ni N^««v ^MH^ >^ >^^ in ^^ t^^ %^ii«mi 4ai
Vn-. vfsN*e*^»s^^ \ vy^HN* s >KV«(li «N^iT iMhr ^nÄ iWMaat^N ^Hr ^w ^♦r» «* fc*r
85
Mundarten betrifft, so rind die Hanptanterscliiede oben berübn irorden, sie
weiter xn verfolgen ist hier nieht der Ort ; denn wenn sldi bei nalieTerwandten
Mundarten schon die hervorragenden Unterschiede mehr nur dem Ohre und einem
dunkeln Bewnstsein, als dem kritischen Blicke kund geben, so wird die Bestimmung
ihrer Grenzen , um die es hier zu thun w&re , wenn sie nicht ganz unmöglich ist,
doch nur einem solchen gelingen , der ISngere Zeit da gelebt hat , wo sie zusam-
menstossen. Von der mutmasslichen lepontisch- alemannischen Grenze war S. S3
die Rede. — Eine andre sehr merkwürdige und zugleich scharf gezogene ist die,
wovon im Schweiz. Gesch. Fo. IV, 8^ Dr. Stadiin Nachricht gibt Sie folgt
nngefShr dem Laufe der Reus und scheidet zwei Volksstämme nach Bauart, Sitte,
Tracht, so streng, dass es beim Ueberschreiten der Grenze auch dem Unbefangenen
ftufßllt. Sladlin zieht sie genauer von der Grimsel bis Kloten bei Zürich : die
I^ndschaflen und Orte die ihr im Westen zun&chst liegen, sind : Oberhasle« Entle-
buch, Lucem, Buonas, Cham, Knonau, Rifferswyl, Bonstetten, Birmensdorf, Kloster
Fahr, Rümlang. Kloten war früher durch die Linie in zwei Hälften getheilt.
Ohne Zweifel ist in dieser Linie die Grenze von 929 wieder gefanden. Zwar
könnte man für eine andre Annahme , dass nemlich schon die alten Burgunden so
weit (östlich gedrungen seien , die Unterschrift des Bischofs von Vindonissa auf
dem Concil von Epaona anfuhren; aber gewichtige Gründe dagegen sind oben
angeführt worden , zu ' ihnen gesellt sieh die Mundart , die in diesem ganzen
Strich entschieden alemannisch ist. Mithin bleibt nur die Annahme übrig, dass
unter dem Einflnss der burgundischen Herrschaft die' Alamannen bis zur Reus
Vieles vom burgundischen Wesen angenommen haben ; ihre Sprache freilich be-
hielten sie , theils weil damals die romanisch - deutsche Grenze schon feststund,
theils weil unter den deutschen Herzogen Burgunds von den Häusern Rheinfefden
(I(fö7-- 1093) und ZShringen (4095—1218) kein Grund war sie aufzugeben. Eine
genauere Untersuchung über jene Unterschiede fände hier nicht Plaz, ich bemerke
nur, dass die Tracht, wie sie Stadiin ffir die Landschaften westlich der Reus
schildert, im Allgemeinen auch die Ist, welche sich durchs Berner Oberiand und
"Wallis in die silvischen Gemeinden hinabzieht , völlig verschieden von der weit
einfacheren altalemahnischen im Osten der genannten Grenze. — Wenn so die
westliche und östliche Schweiz in zwei Hälften gespalten sind, so zieht sich durch
die erstre von Osten nach Westen eine zweite Linie« die das Bemer Oberland vom
sogenannten landgerichtlichen Theil des Kantons Bern trennt« Die nördlichsten
Orte des Oberlands sind Mejrringen , der Uferstrich von Brienz bis Stäffisbnrg bei
Thun , Amsoldingen und Blumenstein. Weiter westlich hat die Linie im Norden
zunächst Guggisbei^, Piafeien, Plasselb. Der Unterschied zeigt sich besonders
36
scharf an der Bauart der Häuser , die im Bemer Oberland , Wallis und Piemont
dieselbe ist; ich vermute» dass bei genauer Nachforschung hier auch die Grenze
zwischen der lepontischen und alemannischen Mundart auftauchte.
4. Die Grenzen der kirchlichen Sprengel. Das fränkische Reich
hatte wie das römische die kirchliche Eintheilung mit der politischen in den ge*
nauesten Einklang gebracht: Archidiakonat und Gau, Dekanat (Ruralcapitel) und
Cent, meist auch Kirchhöre und Markung , entsprachen sich , und nicht selten er-
scheinen die Grenzen der Bisthümer zugleich als Grenzen der Herzoglhümer. Die
kirchliche Eintheilung ist uns für manche Sprengel genau überliefert und bei der
Stätigkeit der römischen Kirche der Hauptsache nach gewis in ursprünglicher
Gestalt. Die altalamannische Grenze ist dann bezeichnet durch die der Bisthümer
Basel und Constanz , denn von leztrem wenigstens wissen wir bestimmt , dass es
seine Grenzen um 650 erhielt, wo noch kein andrer Grund für dieselben wirksam
sein konnte, als die burgundisch-alemannische Volksgrenze, und für Basel ist das-
selbe wahrscheinlich. Demnach liefe die gesuchte Grenze vom Südende der Vo-
gesen , der natürlichen Westgrenze des alamannischen Elsasses , herab gegen den
Jura , eine Zeit lang auf diesem fort , bei Ölten ins Thal der Aar und dann auf
deren rechtem Ufer bis zu ihrer Quelle, Die Grenze zwischen den beiden alaman-
nischen Bisthümem zog von Ölten bis Waldshut die Aar, von da bis unter Breisach
der Rhein ; Basel war durch den Jura , Constanz durch die Aar vom östlichsten
burgundischen Bisthum Lausanne geschieden ; nach Süden stiess Constanz an das
gleichfalls burgundische Sitten. Für die südwestliche Schweiz erscheint mithin im
siebenten Jahrhundert die Aar als Grenze, mit Ausnahme des Striches, der auf dem
rechten Ufer noch heute solothurnisch ist; im achten Jahrhundert, dem die Ein-
theilung in Archidiakonatc angehört, scheint Burgund noch weiter herübergegri£fen
zu haben, denn das westlichste constanzische Archidiakonat mit den drei Kapiteln
Münsingen (s. S. 24), Aarberg -Büren und Wynau heisst das des transjuranischen
Burgunds. Auf diese Art fällt für 770 der ganze Ufersaum der Aar von Wynau
bis Tracht, und weiter aufwärts ganz Oberhasle zu Burgund.
Vergleichen wir nun die gefundenen Angaben, so ergibt sich
i. die politische Grenze zwischen Alamannien und Burgund war bis 888 (929)
ungefähr durch die Aar bezeichnet, und rückte da erst zur Reus.
2. Die romanisch -deutsche Sprachscheide entspricht ungefähr der politischen
Grenze des neunten Jahrhunderts, die von der des fünften nicht verschie-
den war, ausgenommen vielleicht den Strich um die Sane.
*7
3. Die Deutschen der südwestlichen Schweiz stehen in Folge historischer Ur-
sachen nach Sprache, Sitte, Tracht u. s. w. als eigene Gruppe denen der
nördlichen und nordöstlichen gegenüher: im Wallis und Berner Oberland
ist ein andrer Schlag als zwischen Mittelaar, Rhein und Reus; und hier ein
andrer als im Osten der Reus.
4. Die Sprengel von Basel und Gonstanz sind als alamannisch den burgundischen
von Lausanne und Sitten entgegenzustellen.
Sollte man nun nicht berechtigt sein, als alte Volksgrenze zwischen Alamannen
und Burgunden die Aar anzusehen; die Deutschen längs der Aar, im deutschen
Theil des Bisthums Lausanne und im transjuranischen Archidiakonat von Constanz,
als Burgunden , die alemannischen Einfluss ; die zwischen Aar und Reus als Ale-
mannen , die burgundischen Einfluss erfahren haben , und erst die im Osten der
Reus als reine Alemannen; endlich die Deutschen am Monterosa, mit ihren
Stammgenossen im Wallis und Üechtland, als reine Burgunden, die
in verborgenen Alpenthälern ihre Sprache sowol vor dem Untergang durchs Ro-
4
manische als vor der Vermischung mit Alemannischem gerettet haben. Und wenn
die Abhandlung jezt, statt zu enden, erst begänne, so würde sie unbedenklich den
leeren Namen lepontisch gleich einem verbrauchten Werkzeuge bei Seite legen
und den uralten, ehrenvollen der Burgunden an seine Stelle sezen.
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DATE DUE
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1
STANFORD UNIVERSITY LIBRARII
STANFORD, CAUFORNIA 94305